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Dieses Thema hat 39 Antworten
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 Späm! Enter at your own risk.
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t7t Offline




Beiträge: 302

28.06.2007 16:23
Bastard Ass(i) goes Overseas Antworten

Heute ist mein erster Arbeitstag auf dem Campus.

Um einen guten Eindruck zu hinterlassen (der erste Eindruck ist
bekanntlich der Entscheidende!) und um mich in die neue Situation
einzustimmen, fruehstuecke ich lauwarmes Pepsi und microwaved
Pizza, nachdem ich die ganze Nacht im 'Dark Sun' andere Spieler
abgeschlachtet habe.
Dann ziehe ich loechrige Jeans und das abgef....... T-Shirt an,
das ich finden kann, schmiere mir die Reste der Pizza auf die
Brust und fahre zum Campus.

Gleich auf dem ersten Gang kommt mir ein absolut fertiger Typ
entgegen. Bleich, schmuddelig mit fettigem Haar, Ringen unter den
Augen und eingefallener Huehnerbrust.
So schauen also die hiesigen Hacker aus, denke ich und hebe
laessig gruessend die Hand. Dann erst merke ich, dass ich den
Spiegel an Ende des Flurs gegruesst habe.

Nach einigem Hin und Her (der Sicherheitsoffizier am Eingang
wollte mich 'rausschmeissen, weil er mich fuer einen 'Homeless'
hielt), finde ich ins Buero von Ginger, dem 'Human Resources
Manager' des Instituts. Ginger ist eine angenehme 25-jaehrige
Ueberraschung mit kupferroten kurzen Haarschopf und hinterlistig
gruenen Augen. Sie ueberhaeuft mich zunaechst mit einen
Riesenstapel an Formularen und Informationsmaterial, die ich alle
laessig in die leere Pizzaschachtel schaufele. Schliesslich rennt
hier jeder morgens (so gegen zwoelf) mit einer Pizzaschachtel
'rum und ich wollte nicht gleich am ersten Tag als Auslaender
erkannt werden. Gerade als ich dezent vorschlagen will, ob Ginger
mir nicht beim Ausfuellen des ganzen Papierkrams behilflich sein
koennte - zum Beispiel heute abend in meinem neu angemieteten
Penthouse - gerade in dem Moment haelt sie mir eine Broschure
ueber 'Sexual Harrasment am Arbeitsplatz' unter die Nase.

Dann fuehrt sie mich zu meinem Buero, beziehungsweise zu dem
lichtlosen, quadratischen, grau ausgepinselten Wuerfel, was die
hier so sinnig 'cubicle' nennen. Mein cubicle ist vollgestopft
mit Rechnern bzw. Rechnerteilen, alten Manuals, vergammelten
Zeitschriften und verstaubten Ethernet-Kabel-Trommeln. Auf dem
Schreibtisch steht eine altersschwache Sparc2 und wimmert vor
sich hin. Auf den ersten Blick sehe ich, dass essentielle Teile
fuer ein erfolgreiches System-Management fehlen - z.B. ein TV mit
VCR und ein Microwave. Ginger grinst spoettisch und laesst mich
in den Chaos allein, das mein Vorgaenger - moege er im untersten
Kreis schmoren! - mir hinterlassen hat.

Als allererstes mache im einzigen Regal Platz fuer meine
Pizza-Schachtel, indem ich die ganzen 'Internal Procedure
Manuals' (das ist das unnoetige Zeug, wo genau drinsteht, wer
wann und warum auf welchen Rechnern welche Rechte hat) in den
Papierkorb werfe. Dabei faellt mir auf, das dieser angefuellt ist
mit angeschimmelten Pizzastuecken. Die Putzfrau (falls es hier so
was gibt) muss ich mir gleich morgen mal krallen ...

Prof. Icewater, meine neue Chefin steht ploetzlich hinter mir in
der offenen Tuere und begruesst mich so kuehl wie ein
antarktisches Walross. Waehrend des einleitenden chitchat mache
eine geistige Notiz, dass sie auf weissen Turnschuhen
daherzuschleichen pflegt. Also ist Vorsicht geboten!

"Well, das ist also Ihr neues Reich", meint sie in einem
Anflug von kaelteklirrender Herzlichkeit, der ihr gar nicht
steht, und blickt sich in meinem cubicle um. "Jetzt haben
wir nur noch ein klitzekleines Problem: ihr... aeh... Vorgaenger
hat vergessen, das Root-Passwort zu hinterlassen. Und seitdem ...
aeh..."
Ich laechele nachsichtig.
"Wo liegt da das Problem?"
Prof. Icewater schaut mich zweifelnd an und verabschiedet sich.

Ich setze mich an die Sparc2 und gebe ihr mit Stop-A den
Todesstoss. Als sie schnaufend wieder hochkommt, gehe ich in den
Single-User-Mode und unterbreche an der richtigen Stelle ein
SUID-Skript. Dann setze ich das Root-Passwort neu und scanne
erstmal in aller Ruhe die Userverwaltung nach weiblichen Namen,
um sie fuer die taegliche Usermail vorzumerken. Nachdem ich die
heutige Usermail ueberflogen habe, loesche ich saemtliche
System-Mailboxen, um die Mitarbeiter auf den neuen System-Manager
aufmerksam zu machen. Anschliessend schicke ich eine mail an
alle, in der alle Rechnerbenutzer hoeflich darauf aufmerksam
gemacht werden, dass es in den naechsten Wochen wegen
Umstrukturierung des Rechnersystems unter Umstaenden zu
'Unregelmaessigkeiten im Rechnerbetrieb' kommen kann.

Die Netzverbindung zum Internet funktioniert und ist erstaunlich
schnell. Ich logge mich mal kurz zuhause in D ein und lasse
saemtliche Suns, auf denen User eingeloggt sind, neu booten. Nur
damit die Kollegen zuhause nicht meinen, sie waeren mich los!

Dann studiere ich die Broschure ueber 'Sexual Harrasment' (zu
deutsch in etwa. 'Sexuelle Belaestigung'). Eine ziemlich gute
Anleitung fuer Triebtaeter und alle, die es werden wollen. Vor
allem ist darin genau beschrieben, was man alles NICHT machen
darf. Z.B. Liftfahren: niemals mit einer Kollegin oder einen
Kollegen ALLEIN in Lift fahren, wenn man keine Klage an den Hals
bekommen moechte. Oder die Tuere zumachen, wenn man ein Meeting
zu zweit hat. Oder Kollegen im Auto mitnehmen. Oder Pinup-Girls
im Buero aufhaengen. Oder... die Liste ist erstaunlich umfassend!
Fuer Studenten ist noch ein extra Formularblock angeheftet, auf
denen sich Maennchen und Weibchen (oder auch andere
Kombinationen; man ist ja schliesslich in San Francisco!) vor dem
Beginn einer Romance gegenseitig durch Unterschrift bescheinigen
koennen, dass es in beider Sinne geschieht. Oh Hoelle!

Nachdem ich die Broschure gruendlich studiert habe, gehe ich
zurueck in Gingers Buero und frage unschuldig, ob sie mir ein
paar der Begriffe erklaeren koenne. Zum Beispiel 'space bubble',
'pinching', 'hazing', 'mooning', 'leering', usw.
Ginger wird etwa dunkler im Gesicht, aber sie versucht
tatsaechlich, es zu erklaeren (diese Amis sind einfach zu
hilfsbereit!), und ich setze mein duemmstes Gesicht auf,
Kategorie 'die blanke Leere' und verstehe gar nichts. Nach
einigen vergeblichen verbalen Anlaeufen, schlage ich beilaeufig
vor, sie solle es doch mit ein paar praktischen Demonstrationen
versuchen. Ginger guckt mich mit ihren gruenen Augen pruefend an,
dann grinst sie und schuettelt den Kopf: "Nice try!"

Immerhin darf ich sie zum Abendessen einladen, zwecks Fortsetzung
des Unterrichts ...

t7t Offline




Beiträge: 302

28.06.2007 16:23
#2 RE: Bastard Ass(i) goes Overseas Antworten

Das wichtigste in einem neuen Job ist herauszufinden, wer das
Geld fuer Anschaffungen verwaltet (schreibt euch das folgende
besser auf, Leute! Ihr werdet es irgendwann mal brauchen!). Nicht
wer das Geld HAT, sondern wer es VERWALTET ist entscheidend. Und
am einfachsten ist es, unbekuemmert etwas zu kaufen, dann kommen
die verantwortlichen Leute von selber an und man muss nicht lange
nach ihnen suchen.

Also nehme ich die Yellow Pages und suche einen Laden, der
Workstations liefert. Fuer laecherliche 7 Riesen bestelle ich
nach kurzem Verhandeln eine Sun Ultra II mit 20 Zoll Farbdisplay
und deutscher Tastatur, Spy-Camera und noch einigem
Schnickschnack (zu englisch: knickknacks).

Die Schachtel wird noch am selbem Tag geliefert, und ich entlasse
die alte schnaufende Sparc2 offiziell aus ihren Diensten. Einen
gluecklichen Nachmittag lang bin ich beschaeftigt, alle meine
Tools und Games von D auf die neue Ultra zu portieren. Nebenbei
drangsaliere ich ein paar uebereifrige PhD-Studenten, die im
PC-Lab ihre Thesis zusammenhacken. So ein paar Abstuerze
zwischendurch lockern doch gleich die verkrampfte
Deadline-Atmosphaere.

Ploetzlich steht ER in der Tuere. Ich sehe am monetaeren Glitzern
in seinen kleinen Schweinsaeuglein, dass ER es sein muss: der
Financial Director from Heaven (FDfH). In der zitternden Linken
haelt er die Rechnung meiner neuen Ultra; mit der Rechten rueckt
er nervoes an seiner Buchhalterbrille mit Stahlbuegeln.
"Hi" sagt er neutral zur Begruessung und taxiert finster die
glaenzende Sun Ultra auf meinem Schreibtisch. Dann taxiert er
mich und versucht herauszufinden, ob ich gefaehrlich sein koennte
oder ob er mich am besten gleich mit einem gewaltigen Tritt
zerquetschen sollte wie eine vorwitzige Kakerlake, die ihre
sichere Deckung unter der Spuelmaschine aufgegeben hat. Er
entscheidet sich fuer die Kakerlaken-Methode, stellt sich auf die
Zehenspitzen, holt tief Luft und sagt:
"SIE!"
(es ist ein bisschen schwierig, jeweils die richtige deutsche
Anrede fuer die Uebersetzung auszuwaehlen. Das englische 'You'
kann bekanntlich beides sein: Hoefliche Distanz oder engste
Fraternisierung. In diesem Falle bin ich mir ziemlich sicher,
dass der FDfH 'Sie' meint, wenn er 'YOU' sagt; er spricht quasi
in Grossbuchstaben!)
"SIE haben fuer $ 7.242,65 eine Sun Ultra II mit", er blaetterte
frenetisch in der Rechnung,
"mit einem 20 Zoll Farbdisplay und Spezial-Tastatur, etc. etc.
bestellt?!"
Ich bestaetige freundlich, dass dem so sei, und frage hoeflich,
mit wem ich die Ehre habe.
"Ich bin Harold McGain, der Financial Director dieses Instituts",
sagt er gewichtig und schiebt den Spitzbauch vor.
"Sie koennen unmoeglich einfach..."
"Ah! Der User 'mcgain'", unterbreche ich ihn und raschele in
meinen Papieren.
"Freut mich wirklich, Sie kennenzulernen! Der einzige User am
Institut, der regelmaessig
'alt.sexual.stockings.and.leather_belts' und
'alt.sexual.perverse.in.negliglee' konsultiert. Mal im
Vertrauen: ein ziemlich ausgefallener Geschmack, finden Sie
nicht?"
Seine braunen Froschaugen drohen auf meinen Teppich zu fallen; er
schnappt erst nach Luft, dann laesst er Dampf ab wie ein
angestochenes Kaesesouffle.
"Das.. das... wie... woher wissen Sie...", stottert er.
"Well, Sie wissen doch", ich streichele zaertlich die Ultra,
"es ist alles da drin... Wissen Sie was? Das ist doch alles gar
kein Problem. Es braucht ja niemand zu erfahren, nicht wahr?
Alles was Sie brauchen, ist doch nur eine vernuenftige
Erklaerung, wie Sie die Ausgaben vor dem Financial Committee
rechtfertigen koennen, was?"
Er nickt schwach und laesst sich in den Besuchersessel fallen,
den ich aus der Eingangs-Lobby geklaut habe.
"Na, dann ist doch alles beste Bohne: ich liefere Ihnen schon die
noetigen Begruendungen!"
Der FDfH hebt muede den Arm und deutet auf die leise schnurrende
Ultra.
"Und was ist damit?" fragt er weinerlich.
"Deutsche Tastatur!" sage ich trocken.
"Was?"
"Schreiben Sie als Begruendung: war die einzige erhaeltliche
Workstation mit optionaler deutscher Tastatur."
"Aber..."
"Schreiben Sie einfach: der Mitarbeiter (also ich) droht mit
Klage gegen die Leitung der Universitaet wegen Diskriminierung
von deutschen Minderheiten, wenn er nicht eine deutsche Tastatur
erhaelt. Und Sun war die einzige Firma in der Bay Area, die eine
deutsche Tastatur auf Lager hatte."

Tja, ich habe meine Hausaufgaben gelernt. Das Woertchen
'Diskriminierung' bringt sie hier alle auf Trab. Nicht ist
besser, als im Land der unbegrenzten Moeglichkeiten einer
Minderheit anzugehoeren. Zum Beispiel beim Busfahren: Alle
Plaetze sind besetzt mit alten Muetterchen, stillenden Muettern
und einbeinigen WWI-Veteranen. Aber wehe es taucht jemand aus
einer Minderheit auf! Da hopsen die Omas wie die
Schachtelteufelchen. Aber holla! Schliesslich will man ja nicht
auf seine alten Tage noch wegen rassistischer Diskriminierung
eines Deutschen verklagt werden...

t7t Offline




Beiträge: 302

28.06.2007 16:24
#3 RE: Bastard Ass(i) goes Overseas Antworten

Das Institut, mein neuer Arbeitsplatz also, wurde anlaesslich der
Uebernahme durch Prof. Icewater umbenannt in 'Applied Research in
Semi-Conducting Hyperwavelets'.
Also aendere ich den Namen fuer unsere Sub-Domain um in:

ARSCH.berkeley.edu

Der alte Name war sowieso viel zu langweilig! Natuerlich gehen
jetzt alle Reply-Mails an die Mitarbeiter erstmal ins Nirwana.
Aber wer moechte ernsthaft behaupten, dass email eine 100%ige
Kommunikationsform darstellt? Na, bitte!

Waehrend die Mitarbeiter beim Lunch sind, inspiziere ich mit
einem Zweitschluessel aus Gingers Schreibtisch die Labs, ob auch
ueberall ordnungsgemaess die Mikrophone angeschlossen sind. Man
moechte doch moeglichst on-line mitbekommen, was die Mitarbeiter
fuer Sorgen haben!

Bei einer der alten Sparcs ist der Bildschirm nicht gesperrt und
ein gelber Zettel klebt an der Tastatur:
'Please do not log out! I forgot my password!'

Ich notiere mir den Usernamen, georgia, fuer spaeter und haenge
einen zweiten, roten Zettel darunter:
'Hey, security dump ass! Use the command passwd to set a new
password immediately - or you can try to find an account in
Nevada!!!
Signed: System Ops'

Dann - damit die Kollegen auch mal was zu lachen haben - gebe ich
Georgias 'passwd'-Befehl einen neuen Alias:
'rm -r $HOME'

(LEGAL DISCLAIMER: DON'T TRY THIS ONE AT HOME!
KEEP IN MIND: I'M AN EXPERT - YOU'RE PROBABLY NOT!)

Auf meinem weiteren Rundgang schaue ich mir alle Bueros - vor
allem die mit Blick aufs Golden Gate - genau an. Meine Wahl
faellt auf ein besonders geraeumiges Eckzimmer, ziemlich genau
gegenueber von Prof. Icewaters heiliger Residenz an anderen Ende
des Gebaeudes. Der gegenwaertige Besitzer ist unser Financial
Director, Harold McGain; zumindest steht das an der Tuere. Noch!

Zurueck in meinem cubicle recherchiere ich kurz den guten McGain
im Computersystem der Univerwaltung. Seinen Daten nach zu
urteilen, scheint er zu der ganz braven Sorte zu gehoeren. Zu
aergerlich aber auch! Ich moechte schon aufgeben, da finde ich in
seinen 'medical records' eine kilometerlange Liste von Allergien,
an denen der gute Direktor leidet! Unter anderen vertraegt er
kein Katzenhaar!

Am naechsten Tag lockt mich tumultartiges Treiben auf den Gang.
Eine Traube von Mitarbeitern und Studenten guckt durch die offene

Tuere in McGains Buero, aus dem periodische Geraeusche wie aus
DooM, Level 56, zu hoeren sind:
"Hhrrchh! Hhhhrrrrccchhh!"
Ich draenge mich durch die Schaulustigen. Director McGain ist
krebsrot bis dunkelviolett im Gesicht, reisst die vorquellenden
Augen auf und absorbiert offensichtlich nur noch eingeschraenkt
Sauerstoff. Ginger und Prof. Icewater stehen kopflos am Telefon
und beratschlagen hektisch, ob und welchen Notdienst sie
alarmieren sollen. (Nebenbei bemerkt, in USA eine schwierige
Frage: die einen nehmen nur Cash, die anderen wenigstens
Mastercard und die ganz vornehmen - aber auch die teuersten -
nehmen alle ueblichen Zahlungsmittel, sogar Checks!)

Ich betrete souveraen den Ort des dramatischen Geschehens, fuehle
kurz den rasenden Puls und inspiziere die unteren Augenlider des
keuchenden Direktors. Dann frage ich ihn:
"Sind Sie etwa Allergiker?"
"Hhhhrchhh! Hrchaa!"
McGain nickt muehsam.
"Alles klar", sage ich zu Prof. Icewater.
"Sehen Sie die violetten Flecken in seinem Gesicht? Und die
typischen lila Ohren? Ein akuter Anfall von
Sonnenlicht-Allergie!"
"Hhhhrrchrchhh??!"
"Wir muessen ihn schleunigst aus diesem Raum fortschaffen! Ich
schlage vor, wir tragen ihn vorlaeufig in mein Buero. Das hat
kein Sonnenlicht."

Zwei kraeftige Studenten packen mit an, und wir bugsieren den
schlaffen McGain in mein cubicle. Den ganzen Weg lang erlaeutere
ich der besorgten Prof. Icewater die Symptome dieser
lebensgefaehrlichen Allergie:
"... hat gerade in Sued-Kalifornien in letzter Zeit massenhaft
zugenommen. Kann sogar zum Tode durch Ersticken fuehren, wenn
man die Patienten nicht sofort vom Tageslicht isoliert..."
"Hhhhrchhhhrrrchhh!!!"
"... gerade noch rechtzeitig.... nur gut, dass ich da schon
Erfahrung hatte... kann unmoeglich in diesem hellen Buero
bleiben..."

In meinem dunklen cubicle geht es den Director sofort sichtlich
besser. Er bekommt zwar immer noch keinen Ton heraus, aber die
lila Farbe wandelt sich in ein gesuenderes Pink. Prof. Icewater
ist schwer beeindruckt. Sie fragt, wie ich die
Sonnenlicht-Allergie so schnell erkannt haette, ob ich etwa
auch...? Ich beeile mich, sie des Gegenteils zu versichern:
"... nein, nein, keine Sorge... hab' nur mal erlebt, wie so ein
armes Schwein auf einer Aussichtsplattform in Kabul an
Sonnenlicht-Allergie eingegangen ist; einfach erstickt, Sie
verstehen? Ganz lila ist er angelaufen und hat Blut aus allen
Poren geschwitzt; die Zunge hing ganz blau geschwollen aus dem
Mund, und dann ist er ratzfatz verendet. Und das Ganze nur, weil
auf der bloeden Plattform kein Schatten war, und sie den armen
Kerl nicht schnell genug zurueck in den Lift schaffen konnten,
weil eben zu dem Zeitpunkt schon wieder mal der Strom
ausgefallen war. Sie wissen ja, wie oft in diesen Laendern der
Strom ausfaellt, nicht wahr?"
"Hhhhhhrrrrrcccchhhhh!!!"
Prof Icewater zuckt zusammen; dann schaut sie sich unauffaellig
in meinem dunklen cubicle um. Ich hatte vorher extra alle Lampen
bis auf eine kleine, 15-Watt-Schreibtischlampe ausgeschaltet.
Fuenf, vier, drei, zwo, eins, ...
"Wie waere es eigentlich, wenn Sie mit McGain tauschen wuerden?"
fragt sie mich besorgt.
"Hhrrcchh?!!"
Ich tue so, als ob ich diesen ueberraschenden Vorschlag erst
ueberdenken muesste. Dann nicke ich nachdenklich.
"Jaaaaa, das ginge vielleicht. Man koennte dann den neuen
Netzknoten Theta gleich in McGains Buero installieren, und ich
haette bei der Installation leichter die Kontrolle darueber.
Ja, doch. Ich denke das ginge schon..."

Keine sechs Stunden spaeter - McGain ist noch nicht mal von
seinem Hausarzt zurueck - sind die beiden Bueros schon umgezogen.
Als erstes schraube ich den Zuluftschacht der Klimaanlage auf und
hole den alten Lumpen heraus, den ich gestern stundenlang am Fell
der Katze meiner Nachbarn gerieben habe.

Schliesslich will ich nicht riskieren, auch noch
Sonnenlicht-Allergie zu bekommen...

t7t Offline




Beiträge: 302

28.06.2007 16:24
#4 RE: Bastard Ass(i) goes Overseas Antworten

Ich hole mir einen Becher voll der ekligen Fluessigkeit, die hier
gemeinhin als Kaffee bezeichnet wird, und mache es mir mit der
Mittagsausgabe des San Francisco Chronicle in meinem neuen Buero
gemuetlich. Schliesslich ist es noch viel zu frueh, um an
ernsthafte Arbeit auch nur zu denken. Und bis zum Lunch lohnt es
sich eh nicht mehr, irgendetwas groesseres zu beginnen.

Waehrend ich mich systematisch von hinten (Funny Pages) ueber den
Mittelteil (Datebook, local Sports) zur Titelseite
(Catastrophies) durcharbeite, fuehre ich auf einem Schmierzettel
die heutige Verluststrichliste. Alles in allem eine eher ruhige
Nacht: insgesamt 8 Tote und 24 Verletzte bei 6 verschiedenen
Shootings in San Fran, 4 und 9 in Oakland und ein 'aus Versehen'
erschossener Schuljunge in Berkeley. Dann war da noch ein
Geistesgestoerter, der mitten auf dem Freeway seine Magnum
leergeballert hat (hat aber keinen getroffen!), eine Lady, die
beim Joggen in den Berkeley Hills von einem tollwuetigen Mountain
Lion angefallen wurde, und ein ungluecklicher Teilnehmer eines
Firmen-Picknics im Tilden Park, der im Suff in einen Bach
gestolpert und ersoffen ist.

Gleichzeitig findet auf der Leserbriefseite eine hitzige Debatte
statt, ob man den City-Cops von Berkeley die Verwendung von
Pfeffergas-Sprays verbieten solle. Ausserdem plaediert der
Vertreter der ARA (American Rifle Association) fuer eine
Ruecknahme der Sonderbesteuerung fuer automatische
Schnellfeuer-Waffen.

Eine wirklich reizende Gegend! So lebhaft! Vor allem Nachts!

Wo sonst ueberall um sechs Uhr die Gesteige hochgeklappt werden,
ist hier wenigstens noch was los auf den Strassen!

Ich blaettere weiter zu den Kleinanzeigen. Da bitte! Ein Gun-Club
in Oakland bietet zur Zeit Sonderkonditionen fuer neue
Mitglieder. Einfuehrung in alle Handfeuerwaffen, auf Wunsch auch
Unterweisung in automatischen Schnellfeuerwaffen. Spezielle
Sondertarife fuer Hochschulangehoerige. Vielleicht sollte ich
auch ...? Wenn irgendeiner von den lausigen Usern, die ich
gestern geloescht habe, durchdrehen sollte...? Schliesslich waren
da so merkwuerdige Loecher in der Wand hinter meinen
Schreibtisch... Und was ist eigentlich mit meinem Vorgaenger
passiert...?

Naaay! Meine Waffe ist immer noch das Wort und der Computer!
Seufzend lege ich die Zeitung beiseite und beginne mit der harten
Front des Tages, indem ich in Gingers Buero vorbeischaue und mir
ausfuehrlich den neuesten Hochschulklatsch berichten lasse.

Nach dem Lunch, am spaeten Nachmittag, gehe ich ins Treppenhaus
und bohre eine Stecknadel durch das rote Koaxialkabel der
Feuermeldeanlage. Brav beginnen die Sirenen zu heulen und die
Mitarbeiter marschieren gaehnend aus ihren Bueros, um sich in den
nicht angekuendigten 'fire drill' einzureihen.

In einem Land, wo alle Gebaeude praktisch aus Pappe und Sperrholz
bestehen, wagt es keiner, einen Feueralarm zu ignorieren. Nicht
einmal die Systemverwalter. Waehrend alle Angestellten sich unten
auf der Strasse versammeln und auf die Feuerwehr warten, klappere
ich in aller Ruhe die Buero der System-Manager in den anderen
Instituten ab. Fast ueberall sind ein paar Root-Windows offen
geblieben, und ich pflanze ein paar huebsche trojanische Pferde
in die Systeme ein.

Dann, bevor noch die Feuerwehrmaenner mit der Suche nach dem
vermeintlichen Brandherd beginnen, verschwinde ich durch den
Lieferanteneingang.

Morgen ist auch noch ein Tag. Ich kann schliesslich nicht
staendig Ueberstunden schieben; irgendwann faellt das auf!

t7t Offline




Beiträge: 302

28.06.2007 16:25
#5 RE: Bastard Ass(i) goes Overseas Antworten

Die Geschichte dieser Woche widme ich Larry Waters, dem
diesjaehrigen Gewinner des 'Darwin Awards'. (Obwohl einigen von
euch das folgende bekannt vorkommen wird, konnte ich nicht
widerstehen. Man beachte bitte, dass ich jedwede Verantwortung am
Wahrheitsgehalt der folgenden Geschichte ablehne!)

Der 'Darwin Award' wird - wie jedermann und -frau weiss (da wars
wieder!) - jedes Jahr an diejenige Persoenlichkeit verliehen, die
dem humanoiden Gen-Pool den groessten Dienst erweist, indem sie
sich auf die nur denkbar duemmste Art und Weise selbst
liquidiert. Getreu nach Darwins Prinzip: 'Survival of the
Fittest' (und nicht 'Survival of the Fattest', wie oft
irrtuemlich zitiert wird!).

Der Gewinner des Jahres 1995 war ein Cola-Konsument, der bei dem
Versuch ums Leben kam, eine Dose Coca-Cola aus einem Automaten zu
bekommen. Er kippte den Automaten nach vorne und wurde unter ihm
begraben.

Der Preistraeger von 1996 war ein Sergeant der amerikanischen
Luftwaffe, dem sein Auto (180 Spitze) zu langsam war. Er
befestigte ein 'jet engine unit' (JATO, was immer das ist) an
seinem Auto, fuhr fuer eine kleine Testtour in die Wueste von
Nevada und knallte mitsamt dem Wagen etwa hundert Meter hoch in
eine Felswand.

Ich glaube, ihr habt jetzt eine Vorstellung...

Und nun der Gewinner von 1997:
Larry Waters aus Los Angeles. (uebrigens einer der wenigen, die
die Verleihung des 'Darwin Awards' noch selbst erlebt haben...)
Seit er ein kleiner Junge war, traeumte Larry vom Fliegen. Nach
der Highschool trat er in die Luftwaffe ein, in der Hoffnung,
Pilot zu werden. Seine schlechten Augen machten seinen Traum
zunichte und er musste sich fortan damit begnuegen, die Jets
ueber seinen Garten duesen zu sehen.

Eines Tages hatte er einen Geistesblitz. Er wollte selber
fliegen. Er ging in einen Army-Shop und erwarb 45 Wetterballone
und mehrere Flaschen Helium. Ein Wetterballon misst, wenn er voll
aufgepumpt ist etwa 1 Meter 20 im Durchmesser.

Zuhause befestigte Larry die Ballone an seinem Gartenstuhl und
sicherte diesen wiederum an der Stossstange seines Jeeps. Dann
fuellte er die Ballone mit Helium.

Nope, sorry. Der Jeep flog nicht davon; dazu waren die
Wetterballone doch nicht in der Lage. Aber der Gartenstuhl zerrte
froehlich an der Stossstange, und als Larry probeweise
hineinkletterte, sank er nicht zu Boden.

Es wuerde also klappen. Aber wie wieder herunterkommen? Larry
nahm seine Luftpistole mit, in der Absicht, einen oder zwei der
Ballone abzuschiessen, wenn er genug geflogen waere, und dann
sanft zur Erde zurueckzukehren. Dann versah er sich mit ein paar
Sandwiches und einem Sixpack Bier, band sich selbst in den
Gartenstuhl und kappte das Ankerseil. Er dachte, so in etwa
10 Meter Hoehe ueber seinem Garten dahinzuschweben und die
Aussicht und das Gefuehl des Fliegens auszukosten.

Die Sache funktionierte - aber nicht ganz so, wie geplant.

Als Larry das Ankerseil kappte, schoss der Gartenstuhl senkrecht
in die Luft wie eine Kanonenkugel (Parallelen zu 'Baron von
Muenchhausen' draengen sich an dieser Stelle einfach auf!). Er
schwebte nicht sanft in 10 Meter Hoehe; er schwebte auch nicht in
100 Meter Hoehe. Als er endlich zu steigen aufhoerte, befand sich
Larry 3700 Meter hoch am kalifornisch-blauen Himmel. Natuerlich
wusste Larry das nicht; er wusste nur, dass irgendetwas verdammt
falsch gelaufen war, dass es verdammt weit bis hinunter war und
dass es hier oben verdammt kalt war. In dieser Hoehe traute er
sich nicht mehr, einen der Ballone abzuschiessen, in der
verstaendlichen Befuerchtung, dass noch irgendetwas verdammt
schiefgehen mochte. Also schwebte er langsam ueber den blauen
Himmel, frierend und bibbernd - ueber 14 Stunden lang.

Dann begann der Aerger erst richtig.

Der Wind trieb Larry naemlich genau in den Hauptanflugkorridor
des 'Los Angeles International Airport' (LAX).

Der erste, der Larry bemerkte, war ein Pilot der Luftlinie
'United'. Er funkte den Tower an und gab durch, dass er gerade an
einem Kerl in einem Gartenstuhl vorbeigeflogen war, und - der
Kerl hatte eine Pistole. Nachdem sich der Tower vergewissert
hatte, dass der Pilot nicht uebergeschnappt war, und auf dem
Radarschirm tatsaechlich ein kleines, nicht identifiziertes
Objekt in der Anflugschneise zu sehen war, wurde roter Alarm
ausgeloest. Ein Helikopter stieg auf, um sich das naeher
anzusehen.

Inzwischen ging es auf die Nacht zu und der uebliche abendliche

Landwind blies Larry aufs offene Meer hinaus (LAX liegt genau an
der Kueste des Pazifiks; abgesehen von ein paar kleineren
vorgelagerten Inseln kommt da bis Hawaii nichts mehr!) - der
Helikopter flog natuerlich hinterher.

Einige Meilen weiter draussen holte er Larrys Gartenstuhl ein und
umkreiste ihn vorsichtig. Immerhin hatte der 'United'-Pilot von
einer Waffe gesprochen. Die Besatzung des Helikopters fand bald
heraus, dass Larry keine boesen Absichten hatte, und beschloss,
den armen Kerl an Bord zu holen. Aber immer wenn der Hubschrauber
versuchte naeher heranzukommen, blies der Wind der Rotoren Larrys
Ballone wieder weg. Schliesslich positionierte der Pilot sich
direkt ueber den Wetterballonen und liess eine lange
Rettungsleine herab. Larry schaffte es, die Leine zu schnappen
und wurde an Bord gezogen. (Was mit dem Gartenstuhl und den
Ballonen passiert ist, ist leider nicht bekannt. Wahrscheinlich
kreisen die immer noch irgendwo in der Stratosphaere.)

Sofort nach der Landung wurde Larry verhaftet. Als er in
Handschellen abgefuehrt wurde, rief ihm ein Reporter hinterher,
warum er das gemacht habe. Larry drehte sich um und sagte
laessig:
"Ein Mann kann nicht immer nur herumsitzen!"

Applaus fuer Larry Waters aus Los Angeles.

t7t Offline




Beiträge: 302

28.06.2007 16:25
#6 RE: Bastard Ass(i) goes Overseas Antworten

"WHAT THE HELL IS THIS!!!"
Mit lauten Knall klatscht Jerry ein Papier auf meinen
Schreibtisch und funkelt mich angriffslustig an.

So etwas kann ich schon gar nicht verknusen! Vor 11 Uhr morgens
loesen Geraeusche mit mehr als 90 dB bei mir allergische
Reaktionen aus. Andererseits scheint Jerry momentan nicht in der
Verfassung zu sein, sich mit dem ueblichen
"I'll come back to you!" abspeisen zu lassen.

Jerry ist normalerweise absolut 'cool'. Er ist so 'super-cool',
dass er eine Buechse Cola nur anschauen muss und sie bedeckt sich
in Sekunden mit Rauhreif.

Allerdings schaut er nicht sehr viel - ausser auf sein
Computer-Display.

Die schweren Augenlider unter der umgekehrt aufgesetzten
Baseball-Kappe und den beringten Augenbrauen sind normalerweise
auf Halbmast festgezurrt. Weitere Ringe in seiner Unter- und
Oberlippe verhindern, dass er zu schnell spricht (was aber
sowieso 'un-cool' waere), und wenn er Nahrung in fluessiger Form
zu sich nimmt, rinnt unvermeidlich ein duenner Faden sein Kinn
herab. Hoeren tut er auch nicht besonders gut, weil die vielen
'ethnic piercings' in seinen ziemlich abstehenden Ohren staendig
gegeneinanderklingeln. Aber Zuhoeren ist sowieso 'un-cool'! Seine
Haare sind in verschiedenfarbigem Rautenmuster geschoren, und er
traegt immer dieselbe kackbraune Latzhose, deren Schritt irgendwo
bei seinen Kniekehlen baumelt. Deswegen kann er sich auch nur mit
ganz kleinen Schritten fortbewegen, aber schneller zu laufen
waere sowieso... genau: absolut 'un-cool'! Zur Latzhose gehoert
ein geripptes Unterhemd, wie sie mein Grossvater immer getragen
hat, das selbstverstaendlich die 'cool-sten' Loecher an den
richtigen Stellen hat, die von einem absolut 'hyper-coolen'
'ripped-underwear-designer' mit groesster Sorgfalt ausgesucht
wurden. Durch manche der Loecher kann man seine Tatoos sehen, die
natuerlich alle 'super-cool' sind (Stacheldraht um die
Huehnerbrust, der sich auf dem Weg nach unten in ein 'power cord'
verwandelt; dreimal duerft ihr raten, wo sich der zugehoerige
Stecker befindet!). Jerrys Sonnenbrille ist so 'cool', dass sie
jedem Vollblinden perfekt anstehen wuerde. Aber das macht ihm
nichts aus, denn Herumlaufen waere ja, wie bereits gesagt,
absolut 'un-cool', und zum Herumhaengen oder
Am-Strassenrand-Sitzen reicht die Blindenbrille allemal.

Jerry ist so 'cool', dass er eigentlich schon nicht mehr 'cool'
ist: er ist 'nifty'! Nebenbei ist er einer unser besten Hacker
und ein Faulpelz...

Im Moment scheint er allerdings nicht so ganz auf seiner
ueblichen 'coolen' Hoehe zu sein. Also nehme ich seufzend und
aufreizend langsam den Fetzen Papier zur Hand, suche umstaendlich
meine Lesebrille von Woolworth mit 0.0 Dioptrin und gucke
angestrengt auf das Papier.
"Schaut aus wie deine Lohnabrechnung", sage ich fuenf Minuten
spaeter, waehrend derer Jerry sich muehsam beherrschend an meiner
Tischplatte festgekrallt hat. Er reisst mir den Ausdruck aus der
Hand und zischt:
"Allerdings ist das meine Lohnabrechnung! Und hier?! Und das
hier?! Was zum Teufel ist das hier?! Ginger hat gesagt, das sei
deine verf... Idee gewesen?!"
"Das ist nur die Abrechnung deiner Maus-Maut", sage ich
besaenftigend und nehme die Brille ab.
"Absolut kein Grund zur Aufregung. Ganz 'cool' bleiben, Mann!"

Jerrys Stimme schnappt ueber:
"Da fehlen 565 Dollar auf meinem Paycheck!!! Und ich soll cool
bleiben! Was zum Teufel heisst das hier: 113.4 Miles Mouse Toll
equals $ 565"
"Ganz einfach", sage ich und nehme das Papier aus Jerrys
zitternden Fingern.
"Unser Hardware-Etat ist infolge einiger notwendiger
Investitionen in der... aehm... juengeren Vergangenheit so
zusammengeschmolzen, dass die... hmm... Institutsleitung
beschlossen hat, eine Mautgebuehr fuer die Abnutzung der Maeuse
einzufuehren. Weisst du ueberhaupt, wieviel wir im Jahr fuer
kaputte Maeuse ausgeben?"
"Ich..."
"Fast dreitausend Dollar! Es wurde deshalb vorgeschlagen, diese
Kosten aufwandsneutral und verschleissproportional an die
Benutzer durchzureichen..."

'Aufwandsneutral', 'verschleissproportional ' und 'an Benutzer
durchreichen' habe ich mir von unserem bayerischen
Augenbrauen-Monster T.W. abgehoert. 'Verbreiterung der
Einkommensbasis' ist auch so ein Renner von ihm! Ich haette
wirklich Politiker werden sollen!

"... und deshalb werden fuer jeden Benutzer ab sofort die mit der
Maus zurueckgelegten Meilen registriert und am Monatsende mit
$ 5 pro Meile vom Paycheck abgezogen. uebrigens zahlen
natuerlich auch die Studenten, allerdings nur $ 3 pro Meile..."

Jerry starrt mich an; das muss er erstmal verdauen.
"BUT THIS IS OUTRAGEOUS!" explodiert er schliesslich.
"Das lasse ich mir nicht bieten! Wie soll man da noch
wissenschaftlich arbeiten! Ich werd' mich beim Dean
beschweren..."

Ich zucke gelassen mit den Schultern.
"Es soll ja noch andere Leute geben, die scharf auf einen Job an
der Uni sind. Im Silicon Valley wimmelt es geradezu von
frustrierten, ausgenutzten Hackern, die nur darauf warten, dass
hier an der Cal ein ruhiger Job frei wird..."
Ich oeffne eine Textdatei und gucke hinein.
"... ausserdem wuerde ich hier nicht so laut vom
'wissenschaftlich arbeiten' herumtoenen. Ich habe mir mal deine
letzten vier Veroeffentlichungen angeschaut. Tststs. Also beim
besten Willen: da steht doch ueberall dasselbe drin, obwohl das
Kind jedesmal einen anderen Namen hat. Jaja, ich weiss schon:
'publish or perish'. Aber mit so einer Veroeffentlichungsliste
wuerde ich an deiner Stelle lieber einen Sicherheitsabstand zum
Buero des Dean einhalten..."

Jerry macht den Mund auf. Dann macht er ihn wieder zu, reisst mir
die Abrechnung aus der Hand und verschwindet.

Das Arbeitsklima wird doch gleich viel entspannter, wenn man ein
bisschen ueber den Hintergrund seiner Mitarbeiter Bescheid
weiss...

t7t Offline




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28.06.2007 16:26
#7 RE: Bastard Ass(i) goes Overseas Antworten

In meiner Mailbox ist eine Nachricht mit dem Titel:
'Datenverlust - Bitte restaurieren!'

Ich loesche die mail.

Keine Stunde spaeter kommt wieder eine mail vom selben Absender:
'Re: Datenverlust - Brauche dringend die Daten!!!'

Ich loesche die mail.

Gerade als ich zum Lunch gehen will, da schmatzt mein Mailer
schon wieder (Ich habe meinen Mailer so konfiguriert, dass er vor
dem Lunch schmatzt und nach dem Lunch ruelpst):
'Re: Re: Datenverlust - HALLO, HOERT MICH JEMAND???'

Ich ueberlege, ob es sich lohnt, in die mail zu gucken - aber
dann loesche ich sie doch lieber. Man soll sich so kurz vor dem
Mittagessen nicht ablenken lassen. Das koennte die
Magensaftproduktion durcheinanderbringen.

Kurz nach dem Lunch - so gegen 3 pm - klingelt mein Telefon. Weil
heute die Sicht aufs Golden Gate so gut ist und die gegrillten
Austern wirklich ganz ausgezeichnet waren (mit selantro-lemon
sauce!), hebe ich ab.

Er ist es wieder:
"Was ist denn los?! Haben Sie meine emails nicht bekommen?!"
Ich frage nach seinem Account und er gibt ihn mir.
"Doch, die emails habe ich bekommen", sage ich,
"sie stehen an 346., 347. und 348. Stelle in meiner Task-Liste."
Er schnappt nach Luft. Dann kapiert er, was das bedeutet und er
schnappt noch einmal nach Luft.
"Aber ich brauche diese Daten D R I N G E N D ! Ohne die kann ich
nicht weitermachen, und uebermorgen ist deadline fuer mein
proposal und..."
"Um was fuer Daten handelt es sich ueberhaupt?" frage ich.
Er berichtet mir aufgeregt, dass er ein ganzes Dir mit
brandaktuellen, einzigartigen, phantastischen,
nobelpreisverdaechtigen, Ergebnissen geloescht hat.

"Tja, herzliches Beileid. Da kann man nichts machen", versuche
ich zu troesten,
"dafuer haben Sie jetzt wieder mehr Platz in Ihrem Account. Und
wahrscheinlich haben wir heute was gelernt, hmm?"

Das muss er erst ein paar Sekunden lang verdauen, bis er auf die
tieferen Implikationen stoesst:
"Aeh... was soll das heissen: da kann man nichts machen?"
erkundigt er sich mit zitternder Stimme.
"Wir haben doch Backup?"

Ich schweige.

"Haben wir doch, oder?" wiederholt er leise.

Ich schweige.

"Oder, haben wir nicht?" fragt er mit ganz heiserer Stimme.

"Nicht mehr", sage ich ruhig.

"WIESO NICHT?!!!"

"Wir hatten doch dieses schnucklige kleine Bandgeraet im
Rechnerraum, das jede Nacht ein increment von allen Userdaten
gemacht hat", erklaere ich.
"Sie wissen schon, das Ding, in das man JEDEN ABEND ein neues
Band einlegen muss. Tja, vorgestern wollten wir den Rechnerraum
mit ein paar Blumentoepfen verschoenern. Und dabei hat jemand
aus Versehen einen ziemlich schweren Pflanzkuebel mit blauen
kalifornischen Jorgulieren auf das Bandgeraet fallen lassen. Und
seit dem: keine Backups mehr..."
"Oh, nein!"

Das ewige Bandwechseln ging mir schon nach einer Woche auf den
Geist. Zum Glueck habe ich in einer dunklen Ecke des Rechnerraums
einen handlichen 5-Pfund-Hammer entdeckt
(in einer roten Kiste mit der Aufschrift 'EMERCENCY ONLY').
Abgesehen davon gibt es keine 'blauen kalifornischen
Jorgulieren'; zumindest kenne ich keine - ihr vielleicht?

"Doch, leider. Aber ich habe uns sofort ein ultramodernes
Backup-Geraet bestellt, sogar mit einem Roboter zum
automatischen Baenderwechseln. Das Ding steht schon hier bei mir
zum Testen", sage ich, um ihn aufzumuntern.
(Psychologie ist wichtig bei meinem Job!)

Und da wird es vorerst auch bleiben. Robby kann naemlich auch
VCR-Kassetten wechseln. Jetzt muss ich zwischen den Videos nicht
mehr aufstehen und zum Recorder gehen...

"Aber wo sind dann meine Daten?!" fluestert er.

"Tja, mein erster Tip waere: nirgends mehr! Unter UNIX werden
freigegebene Bloecke auf der Platte normalerweise sofort wieder
ueberschrieben. Aber..."
"Ja?"
"Naja, manchmal, wenn es sich um ziemlich viele zusammenhaengende
Daten handelt, sind die Files vielleicht doch noch irgendwo auf
der Platte..."
"Jaaah?"
"Haben Sie denn noch die Namen der geloeschten Files?" frage ich.
"Jaaah!!!"
"Es kommt naemlich vor, dass sich die gelinkten Node-Entries auf
der VAT gegensynchron aus der gespiegelten Meta-VAT decodieren
und ueber den normalen Fodgers-Robertson-Effekt in den
Tunnelbereich der magnetischen Resonanz der
Bernoulli-Oberflaeche extrapolieren..."

Ich kann's einfach nicht lassen!

"Oh...", sagt er. "natuerlich..."
Das heisst also: DUMMY MODE ON!

"Versuchen Sie doch einfach mal folgendes", sage ich.
"Sie legen das geloeschte Dir wieder an und erzeugen darin mit
dem Befehl 'touch' genau die Files, die geloescht wurden.
Manchmal synchronisieren die Eintraege dann an die richtige
Stelle in der VAT und die Daten werden wieder sichtbar. Aber
wenn ueberhaupt, dann erst wenn wieder alle Filenamen komplett
da sind"
"Aha... aber das waren ja Hunderte von Namen...", sagt er.
"Tja, ich habe ja auch nicht gesagt, dass es einfach ist...",
sage ich bedauernd. Wie gesagt: manchmal kann ich mich selber
nicht ausstehen... Er sagt, dass er es immerhin versuchen werde,
und legt auf.

Das wird ihn die Nacht ueber beschaeftigen - und ihn morgen
hoffentlich davon abhalten, weitere emails an 'admin' zu
schicken...

t7t Offline




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28.06.2007 16:26
#8 RE: Bastard Ass(i) goes Overseas Antworten

Zum woechentlichen neo-traditionellen Halb-Vier-Uhr-Tee gibt es
warme 'scones'
(Erklaerung fuer Provinzler: traditionelles englisches
Teegebaeck, das von der Konsistenz ein wenig an die bayerischen
'Boxer' erinnert - allerdings ohne den Zuckerguss!
(Jetzt wissen natuerlich wieder 90 % von euch nicht, was
'Boxer' sind!
(Kann ich aber auch nix dafuer, wenn ihr im falschen
Bundesland wohnt!!
(I love brackets!!!
(;-)
)
)
)
)
Die 'scones' holt Ginger hoechstselbst aus einer dafuer
spezialisierten Baeckerei - etwa 27 Meilen vom Campus entfernt.
(Benzin ist recht preiswert in Kalifornien!)
Frueher, bevor ich am 'ARSCH' eingestellt wurde, hatte es einen
traditionellen Fuenf-Uhr-Tee gegeben, der mangels Beteiligung der
Angestellten praktisch nie stattfand. Welche halbwegs
vernuenftige humanoide Lebensform ist um fuenf Uhr noch im Buero?
Allerhoechstens ein paar unverbesserliche Hacker vom Saturn ...

Seit allerdings auf meinen Vorschlag der Termin auf 3:30pm
vorverlegt wurde und ich zudem den Wartungszyklus fuer unsere
Workstation-Cluster auf diesen Termin verlegt habe, ist die
Beteiligung der Belegschaft um mehrere Tausend Prozent
gestiegen ...

Zu den warmen 'scones' schmeckt am besten frische, salzige
Butter. Also gehe ich in die Teekueche und hole ein frisches
Paeckchen aus dem Kuehlschrank. Als ich es auswickeln moechte,
faellt mein Blick auf den Aufdruck:

"FRISCHES PAeCKCHEN! HIER OeFFNEN!"

Wirklich interessant! Es haette sich ja auch um voellig verranzte
Butter aus dem Freiheitskrieg handeln koennen! Also muss man den
beruhigenden Hinweis 'FRISCHES PAeCKCHEN' wirklich dankbar zur
Kenntnis nehmen. Und 'HIER OeFFNEN' steht praktischerweise auf
der einzigen freien Lasche des Pergamentpapiers, damit ich auch
nicht aus Versehen mit dem Buechsenoeffner 'rangehe!

Sheeeeesh-Aaaargggg!!!
Manchmal uebertreiben sie es schon ein bisschen hier - ein
bisschen?

Fuer meinen mintgruenen Ford Mustang habe ich mir einen 'sun
screen' besorgt. Das ist im Prinzip nur ein riesiges,
farbenfrohes Stueck Pappe, das man hinter die Windschutzscheibe
klemmt, damit die Sonne nicht den ganzen Tag ins geparkte Auto
knallt. Und was steht mit grossen roten Buchstaben auf der
Rueckseite:

'WARNING: DO NOT DRIVE WITH SCREEN IN PLACE!'

Sheeeeesh-Aaaargggg!!!

Nach dem Tee mache ich meine Runde durch die Labs, um zu
kontrollieren, ob die Studenten noch ein paar 'scones' mitgehen
haben lassen und jetzt die Tastaturen vollbroeseln. Wenn ich
einen erwische, gibt es eine ernste Verwarnung, 10 Dollar Strafe
und ich konfisziere sofort das corpus delicti. Das Geld kommt in
die schwarze Kasse fuer 'Sonderanschaffungen' (wo auch die
Maus-Maut hinfliesst!), und die beschlagnahmten 'scones' kommen
in meinen Magen.

Einigermassen gesaettigt kehre ich in mein Buero zurueck und
schaue nach, was heute noch ansteht:
Meine Mailbox? Leer! Ausgezeichnet! Allmaehlich scheinen meine
Erziehungsbemuehungen Fruechte zu tragen ...
Die Mailboxen der Mitarbeiter? Ich ueberfliege kurz die Titel -
Nichts was sich fuer eine kleine Erpressung lohnen wuerde ...

Ich klicke mich durch die Pages von ein paar lokalen
Tageszeitungen. Schliesslich muss man sich mit der fremden Kultur
vertraut machen. Und was hilft da besser, als die Klatschspalten
der lokalen Presse.

Probleme mit der Sprache? Aber woher denn! Amerikanisches
Englisch ist sowieso verkapptes Deutsch ...
Wie? Ihr zweifelt? Ok, let's see ...

"... and her frumpy Hausfrau look fits more for a
Putz-around-the-house than for a gala dinner..."
(kritische Anmerkungen zur Mode der Hollywood-Prominenz)

".. while years ago kids used to spent their free time in
the Kinder-Gym, nowadays the only observable movement may be a
very cool sneer ..."
(kritische Anmerkungen zur heutigen Jugend)

"... and then all suddenly it's there: Wanderlust fills your
mind ..."
(Hiking tips)

"... pure Schadenfreude on the winner's side and the Angst
for the rest of us ..."
(sarkastische Bemerkungen zur neuesten Game-Show, bei der es
darum geht, moeglichst viele Gegner mit blauem Schimmelkaese zu
ersticken, waehrend gleichzeitig Verse von Bukowsky rezitiert
werden)

"... he cautiously approached his vicious
Doppelgaenger ..."
(Fortsetzungsroman ueber kartoffelaehnliche Aliens, die sich als
Menschen replizieren. Wir raten ab!)

"... influenced by an overthrown Weltanschauung
that..."
"... however, considering the Zeitgeist in ..."
(Philosophisches Feuilleton - unverkennbar!)

"... again to be said that the politically correct positive
thinking regarding the EURO is set ueber alles ..."
(Tendenzioeses Editorial zur Europapolitik)

"... walked back to the microphone and continued his
Spiel ..."
(Schon wieder Feuilleton! Diesmal der Kritiker)

"... but the Green Party - after a few detours - got back to
it's fruitless Realpolitik ..."
(Politischer Kommentar, republikanisch)

"... Ur-pepper ..."
(Kochrezepte, demokratisch)

Auf dem Nachhauseweg besuche ich noch ein paar oeffentliche
PC-Labors in unserem Gebaeude und packe bei einem halben Dutzend
Windoofs-Rechnern die DOS-Box in den Autostart-Ordner. Bei den
Macs lenke ich die Drucker-Queues um auf den Laserdrucker im
Sekretariat des Deans. Die Sekretaerin des Deans ist ein
besonders boesartiger wasserstoffgebleichter Drachen mit
kuenstlich verlaengerten, dunkelroten Krallen, deren Buero man
nicht ohne kugelsichere Weste betreten sollte ...

t7t Offline




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28.06.2007 16:27
#9 RE: Bastard Ass(i) goes Overseas Antworten

1906, San Francisco, California. Die Braende, die das grosse
Erdbeben ausgeloest hatte, sind unter Kontrolle. Ich habe bereits
die Wasserversorgung in 95 % der Haushalte wiederhergestellt und
der Wiederaufbau der Verkehrsinfrastruktur ist im vollen Gange.
Die Finanzlage stabilisiert sich allmaehlich, und ich lockere ein
wenig die Steuerschraube, was mir wiederum ein paar Prozent in
den Umfragen einbringt. Wenn jetzt nicht noch ein Monster
auftaucht und Golden Gate Park verwuestet, werde ich die naechste
Wahl haushoch gewinnen.

Eine kleine Pause kann nicht schaden, denke ich und nehme die
Haende von der Tastatur. Es wird auch hoechste Zeit: meine rechte
Hand fuehlt sich taub an und seit einer Stunde kaempfe ich mit
Kraempfen im Unterarm. Vier Stunden City2000 am Stueck ist
vielleicht doch etwas zuviel!

Kollege Ron trampelt auf seinen ueberdimensionierten
Joggingschuhen an meinem Zimmer vorbei und sieht, wie ich meine
Hand massiere.
"Zuviel gearbeitet?" sagt er grinsend.
"Du solltest mehr fuer deine Fitness tun, sonst bist du mit 40
reif fuer die erste Herzattacke..."
"Harhar", sage ich und loesche rasch alle seine emails in der
Mail Spool Area.

Ron gehoert der hier weitverbreiteten Gattung der
Auto-Masochisten an. Er ist nur gluecklich, wenn er sich taeglich
mindestens eine Stunde lang selbst quaelen kann. Z. B. faehrt er
nicht, wie alle anderen vernunftbegabten Lebewesen, die es in
jahrmillionlanger muehsamer Evolution geschafft haben, Cabriolets
zu entwickeln, mit dem Auto ins Buero, sondern mit dem Fahrrad
- Verzeihung! - mit dem Mountainbike, wollte ich sagen. An sich
waere das ja noch relativ harmlos (obwohl die Vollbluthacker
unter euch sicher bereits die Stirne runzeln), aber Ron wohnt auf
den Berkeley Hills - circa 350 Meter ueber Normalnull; und der
Campus liegt auf Meereshoehe! Letzte Woche ist er "mal eben so"
von Alcatraz nach Angel Island geschwommen. Jeder, der 'Escape
from Alcatraz' gesehen hat, weiss, dass das Wasser eiskalt ist,
von Haien wimmelt und es nur eine kurze halbe Stunde zwischen den
Tiden gibt, waehrend der die gefaehrlichen Stroemungen abflauen.
Natuerlich laeuft er jedes Wochenende einige Zig Meilen durch die
Hitze - am liebsten auf steile Berge, damit es nicht zu
langweilig wird. An den Strand nach Point Reyes faehrt Ron mit
dem Fahrrad. Wenn er allein ist und ihn keine Langweiler
aufhalten, braucht ER dafuer eineinhalb Stunden. ICH brauche dazu
eine Stunde - mit meinem mintgruenen Mustang auf dem Freeway!
Alle grossen Marathonlaeufe der westlichen Hemisphaere hat Ron
bereits erfolgreich absolviert. Sein groesster Kummer ist, dass
er noch niemanden gefunden hat, der mit ihm 'The Big Run' machen
moechte. 'The Big Run' fuehrt vom tiefsten zum hoechsten Punkt
der Vereinigten Staaten (ausser Alaska), also vom Death Valley
(282 Fuss unter Null, ca. 46 Grad im Schatten) bis zum Gipfel des
Mt. Whitney (14495 Fuss ueber Null, ewiges Eis), und das Ganze
innerhalb von 24 Stunden.

Die Aufzaehlung liesse sich fortsetzen, aber ich denke, ihr wisst
jetzt, was ich unter 'Auto-Masochisten' verstehe. Wuerde mich gar
nicht wundern, wenn Ron demnaechst nach Hawaii schwimmen
wuerde...

Trotzdem, vielleicht sollte ich auch mal was fuer meine Figur
tun... Immerhin faellt mir auf, dass ich letzter Zeit die Arme
immer weiter strecken muss, um an die Tastatur zu kommen.

Diaet halten? Kommt nicht in Frage! Ausserdem mache ich sowieso
schon seit Jahren eine strikte Pizzadiaet... Durch die Hitze
joggen? Forget it! Bin ich Arnold Schwarzenegger? Wenn ich schon
'work out' mache, dann mit allen technischen Schikanen!

Ich gehe zwei Block weiter zum 'Platinum Gym', dem teuersten
Fitness-Tempel am Ort, und sage dem Blondie-Girl am Empfang, dass
um die Ecke ein Pickup meinen Wagen behindert, und ich nicht
wegfahren kann, und ob sie nicht vielleicht mal ganz hoppti
nachschauen koennte, ob es vielleicht der Pickup von einem ihrer
beknackten Kunden sei. Eingeschuechtert verlaesst die Kleine
ihren Posten, OHNE VORHER IHR TERMINAL ZU SPERREN! Zehn Minuten
spaeter kommt sie ganz verwirrt zurueck und entschuldigt sich
tausendmal, aber sie koenne keinen Pickup sehen, der ein
parkendes Auto behindere.
"Oh?" sage ich und laechele mein charmantestes Laecheln,
"Wahrscheinlich ist der Kerl schon selber weggefahren. Ich habe
noch ein klitzekleines Problem: Ich habe leider meine
Mitgliedskarte verloren. Aber ihr habt ja alle meine Daten im
Computer..."
Ihr Gesichtchen unter dem blonden Haarschopf hellt sich auf:
das ist etwas, wo sie helfen kann!

Bald darauf bin ich im Besitz einer funkelnagelneuen
Mitgliedskarte (Gold Plus) fuer das naechste Jahr und sitze im
'Cardiovascular Training Center' auf einer 'tread mill'. Der Raum
ist konstant auf 22 Grad und 78 % Luftfeuchtigkeit klimatisiert,
das Licht mit sanfter UVA Strahlung angereichert und saemtliche
anwesenden Auto-Masochisten sind an Herzmonitore angeschlossen.
Meine 'tread mill' ist eine Art robustes Fahrrad auf Stelzen, das
ein sadistisch veranlagter Ingenieur mit einem zufallsgesteuerten
Steigungsprofil ausgestattet hat. Direkt vor meiner Nase ist ein
grosses 17 Zoll Farbdisplay, auf dem ich wahlweise folgende
Informationen abrufen kann:

- die Uhrzeit,
- die verstrichene Trainingszeit,
- meine Pulsrate,
- meine 'burning rate' (Kalorien pro Stunde),
- meine bereits erzeugte Energiemenge,
- meine (virtuelle) Geschwindigkeit,
- die aktuelle Steigung (auf die ich keinen Einfluss habe, weil
ich den Zugangskode zu dem bloeden Ding noch nicht
'rausbekommen habe),
- das Steigungsprofile der naechsten 60 Sekunden (damit ich mich
schon mal geistig darauf einstellen kann),
- den Wetterbericht,
- das heutige Menue im Casino,
- die Aussentemperatur, Innentemperatur und Luftfeuchtigkeit,
- den aktuellen Dow Jones Index,
- den Bay Area Traffic Report,
- 46 Fernsehkanaele (einschliesslich HBO und ShowTime),
- meinen letzten Kontostand,
- die letzten Sonderangebote im Supermarkt um die Ecke.

Nachdem ich saemtliche erforderlichen Disclaimer unterschrieben
habe, dass ich auf eigenes Risiko trainiere und unter gar keinen
Umstaenden die Leitung des Fitness-Centers fuer etwaige
Verletzungen oder gar ein vorzeitiges Ableben gerichtlich
belangen werde, fuelle ich zuallererst ein Beschwerdeformular
aus, in dem ich beklage, dass von den 'tread mills' aus kein
Internet-Zugang moeglich ist.

Dann beginne ich mit dem eigentlichen Training: Fuenf Minuten
spaeter bin ich im Kontrollprogramm meiner 'tread mill' und
aendere das Vorzeichen des Kraftwiderstands. Die Pulsrate stelle
ich kontant auf 174. Dann waehle ich die hoechste Stufe und die
'tread mill' beginnt von sich aus zu strampeln. Ich muss mich nur
noch zuruecklehnen und die Beine entspannen.

Neben mir schwitzt eine etwa 40jaehrige Asiatin, die links und
rechts ueber den Sitz quillt. Ich schiele diskret auf ihr
Display: sie ist auf der hoechsten Schwierigkeitsstufe, Pulsrate
142 und Trainingszeit bereits 53 Minuten. Auf ihrem
schweissbedeckten Gesicht liegt ein entruecktes Laecheln; die
Augen sind halb geschlossen. Sie murmelt leise vor sich hin,
waehrend sie schnaufend in die Pedale steigt. Ich spitze die
Ohren (+20 dB):
"Meine Beine werden staerker und staerker. Ich werde jeden Tag
staerker. Meine Leistung steigert sich und steigert sich und
steigert sich. Mein Bauch ist flacher und staerker als gestern.
Meine Knie sind stark und flexibel. Mein Koerper fuehlt sich
super. Ich brauche keine Suessigkeiten mehr. Ich fuehle mich
wohl..."
So geht das die ganze Zeit. Ununterbrochen. Psycho-Training.
Stand auch in einer der vielen Broschuren, die sie mir bei der
Anmeldung in die Hand gedrueckt hatten.
Es geht mir auf den Geist! Mal sehen, was man dagegen tun kann...

Ich beginne zu keuchen und zu schnaufen. Dann wuerge ich
kurzatmig kurze Woerter hervor:
"Aarrg... Oh, Gott... Uaaarg... Shit!... Uff!... Oh, Gott..."

Meine Nachbarin kommt aus dem Takt und schaut irritiert zu mir
herueber.
"Wissen Sie, an was ich immer denken muss, wenn ich hier bin?"
frage ich. Sie schuettelt stumm den Kopf.
"Schokolade", sage ich sehnsuechtig,
"Tonnen von Schokolade. Kartoffelchips, ganze Saecke voll. Oder
Icecream, am besten Marshmallow Fudge von Baskin Robins mit der
leckeren Peanut-Roasted-Almond-Sauce..."
Die Quallen-Frau schluckt hart und guckt wieder auf ihr Display.
Ihre 'burning rate' ist bereit um 15 Kalorien pro Stunde
gefallen. Ich seufze so laut, dass sie zusammenzuckt.
"Ist das nicht eine unglaubliche Schinderei hier?" aechze ich.
"Da sitzt man nun stundenlang und rackert sich ab, und nimmt
trotzdem nicht ab... Da sehen Sie mal: ich bin auf 174 und
fuehle mich graesslich! Richtig uebel kann es einem werden, wenn
man sich so ueberanstrengt..."
Die Quallenfrau wirft einen verzweifelten Blick auf meine wie
rasend wirbelnden Beine und wird selber immer langsamer.
"Schaetze, ich werde mich noch ein wenig steigern muessen",
seufze ich resigniert.
"So hat das ja alles keinen Sinn..."
Kurze Zeit spaeter wirft sie heulend das Handtuch und wabbelt
schniefend zum Ausgang.

Erfrischt gucke ich mir das 'Strength Center' an: lauter
vollcomputerisierte Kraftmaschinen fuer jeden nur denkbaren
Muskel der menschlichen Anatomie (von einigen Muskeln wusste ich
nicht mal, dass sie existieren!). Ich fummele ein wenig am
Control-Panel der 'Pull Down' Maschine herum und erhoehe den
'Negative Resistance Factor' auf 1000%. Dann suche ich die
Trainerin vom Dienst, ein zierliches Persoenchen mit Muskelknoten
an jeder freien Ecke, und bitte sie, mir die 'Pull Down' Maschine
zu erklaeren.
"Ganz einfach", sagt sie professionell und besteigt das riesige
Folterinstrument.
"Sie setzen sich hier hin, waehlen das aufgelegte Gewicht mit
dieser Tastatur und ziehen dann diese beiden Griffe immer bis
auf Schulterhoehe herunter. Schoen langsam. Diese Maschine
produziert wie alle anderen auch ein hoeheres Gewicht auf dem
Weg nach oben als nach unten... Aaaaarrrrrg!!!"
Die 1000% Negativgewicht reissen die Trainerin wie nichts in die
Hoehe; dort strampelt sie verzweifelt mit den Beinen und schreit
um Hilfe. Ich simuliere Panik und reisse den Netzstecker der
Maschine aus der Wand. Die Maschine laesst los, und die Trainerin
knallt aus 3 Meter Hoehe hart auf den Fussboden.
"Ich glaube, ich gehe doch lieber in die Aerobic-Klasse", sage
ich und verziehe mich diskret.

Im Aerobic-Studio ist ein muskelbepackter ebenholzschwarzer
Sadist mit weissen Tennisschuhen dabei, eine Gruppe von
schwitzenden weissen Frauen in papageienhaften Gewaendern bis
aufs Blut zu maltraetieren.
"Yeaah! Feel the burn! Do yah feel it? Are you burning yet?
Yeeesss! That's what you want, huh? Your body is never on
vacation..."
Man kann sehen, dass es ihm Spass macht, alle die verweichlichten
Weissbrote der gehobenen Mittelklasse auszuwringen. Und
gleichzeitig kann er auch noch seine Lieblingsplatten hoeren.
Kein schlechter Job! Als ich dazukomme, zaehlt er gerade fuer
Liegestuetze den Countdown im Takt der Musik:
"... elf... zehn... neun... acht... sieben... sechs... fuenf..."
Er sieht mich in der Tuer stehen und grinst gluecklich von einem
Ohr zum anderen. Die feminimen Weissbrote schnaufen und stoehnen.
Ich lasse meinen kritischen Blick ueber die schweissnassen,
aechzenden Leiber schweifen, schuettele langsam den Kopf und
deute mit dem Daumen nach unten...
Der Aerobic-Sadist grinst noch breiter:
"... vier... drei... zwei........ neun... acht... sieben..."
Erstickte Protestrufe aus der Gruppe; einige geben auf und
bleiben in einer Pfuetze aus Schweiss liegen. Der Aerobic-Sadist
springt zu der Frau, die am lautesten protestiert hat, und
schreit im Kasernenton:
"Fuenf extra! Aber flotty! Fuenf... vier... drei..."

Vielleicht sollte ich mich als Trainer bewerben...

t7t Offline




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28.06.2007 16:27
#10 RE: Bastard Ass(i) goes Overseas Antworten

Mein Liste der zu erledigenden Aufgaben (Task List) ist auf 234
angeschwollen. Also gehe ich auf den Flur und werfe mit einem
nassen Lappen nach der runden Deckenlampe, bis Ginger mit der
Tagespost vorbeikommt. Sie beobachtet mich eine Weile aus
sicherer Entfernung, wie ich mit stupider Hartnaeckigkeit immer
wieder den nassen Lappen aufnehme und nach der Lampe schleudere.
Nach dem zehnten Wurf ueberwaeltigt ihre angeborene weibliche
Neugierde die anerzogene amerikanische Zurueckhaltung, und sie
fragt mich, was ich da tue.
"Ich werfe einen nassen Lappen nach der Deckenlampe", sage ich.
Ginger bruetete einen Moment ueber dem Sinn dieser Aussage, ob
ihr da vielleicht eine tiefere Bedeutung entgangen sei; dann
fragt sie beherzt:
"Und wozu soll das bitte gut sein?"
"Ich uebe Korbwerfen", antworte ich.

Nun ist Basketball eine der vielen Ball-Manien der Amerikaner.
(Ist euch schon mal aufgefallen, dass Amerikaner handorientiert
und Europaeer fussorientiert sind? Man kann einen sehr einfachen
kulturellen Zugehoerigkeitstest machen, indem man einem
Amerikaner und einem Europaeer jeweils einen Ball zuwirft.
Derjenige, der den Ball wegtritt, statt in zu fangen, ist der
Europaeer!)
Deswegen ist es nicht weiter auffaellig, wenn ein Amerikaner
sogar am Arbeitsplatz Korbwerfen uebt - allerdings im allgemeinen
mit einer Miniaturversion von Ball und Korb, und nicht mit einem
nassen Lappen!

Inzwischen hat sich Ginger zur naechsten Frage durchgearbeitet:
"Aber warum uebst du Korbwerfen mit einem nassen Lappen, statt
mit einem Ball?"
"Weil mit einem Ball die Lampe kaputtginge", erklaere ich und
werfe wieder.

Ueberwaeltigt von soviel Logik laesst mich Ginger mit meinem
Lappen allein, und ich mache noch ein paar Wuerfe, bis ich
ziemlich fit bin. Dann steige ich aufs Dach hinauf und werfe den
Lappen mit einem einzigen eleganten Schwung ueber die
Mikro-Link-Antenne, die unser Subnetz mit dem Internet auf dem
Campus verbindet. Die Feuchtigkeit im Lappen unterbricht die
Mikrowellen, und mit einem Schlag sind wir von der grossen weiten
Cyberwelt abgeschnitten.

Als ich in mein Buero am ARSCH zurueckkomme, klingeln schon die
Alarmglocken. Von allen Enden des Instituts kommen emails
verzweifelter Mitarbeiter, die es mitten im schoensten Surfen
erwischt hat. Ich schicke eine email an alle, in der ich lapidar
mitteile, dass unsere Internet-Anbindung aus noch unbekannten
Gruenden zusammengebrochen sei, dass diese Aufgabe absolute
Prioritaet habe und ich mir deshalb erlaube, saemtliche andere
Punkte auf meiner Task-Liste zu streichen. Und falls jemand etwas
dagegen haette, solle er sich bitte oeffentlich per email dazu
aeussern. Natuerlich wagt es keiner, die Prioritaet der
Internet-Anbindung anzuzweifeln - schliesslich moechte niemand
gern von einem aufgebrachten Mob Internetsuechtiger gelyncht

werden. Dann fuege ich noch hinzu, dass ich bis zum Abschluss der
erfolgreichen Reparatur unter keinen Umstaenden gestoert werden
moechte, und dass die Verbindung noch heute wieder funktionieren
werde.

Dann schliesse ich mein Buero ab und gehe hinueber ins Casino des
Faculty Clubs. Nach einem ausgiebigen fuenfgaengigen Lunch mit
einem vollmundigen Coastal Chardonay gehe ich laessig zur Kasse
und verlange die Rechnung. In dem Moment, wo die Check-Maus meine
Tischnummer eintippt, ziehe ich ganz kurz das Netzkabel aus ihrem
Computer. Natuerlich stirbt sofort das OS der Kasse, und die
Check-Maus bekommt das Ding nicht wieder zum Laufen. Ich schaue
auf meine Armbanduhr, trommele mit den Fingern und bemerke dass
ich eigentlich weg muesste, und so weiter, und ob ich ihr nicht
helfen koennte. Erleichtert laesst sie mich an die Tastatur, und
ich fummele ein wenig daran herum. Dann sage ich, dass ich ohne
das Master-Passwort nicht weiterkomme, und dass sie den Manager
suchen soll. Sie sprintet los und ich kann in aller Ruhe meine
gespeicherte Rechnung auf ein vernuenftiges Mass reduzieren.
Leider kommt sie schon wieder zurueck, gerade als ich die
gebuchten Trinkgelder der letzten 6 Monate auf mein
Kreditkartenkonto rueckueberweisen moechte. Naja, man kann nicht
alles haben! Ich bezahle meine Rechnung ueber $ 0.95 und gehe
zurueck zum ARSCH.

Auf dem Flur vor meinem Buero patrouilliert der harte Kern meiner
internetabhaengigen Kollegen. Erste Entzugserscheinungen
(Mausfingerzittern und aehnliches) zeigen sich bereits bei den
ganz schweren Faellen. Als sie mich ausserhalb meines Bueros
sehen, erstarrt der ganze Haufen fuer einen Moment, dann stuerzen
sie sich wie eine Meute ausgehungerter Serengeti-Hyaenen auf
mich.
"Was machst du hier draussen!?"
"Ich dachte, du bist dran die IN-Verbindung zu reparieren!!"
"Weisst du nicht, wieviele Leute darauf warten, Idiot?!"
"Wo warst du!? Etwa beim Lunch?? Er war beim Lunch!!! Ist das zu
fassen..."
Einer bekommt sogar einen hysterischen Lachkrampf; ein anderer
beisst sich mit irrem Blick in die Handknoechel.

Ich hebe beide Arme, damit sie mich zu Wort kommen lassen.
"Ich bin hart an der Sache dran", sage ich ernsthaft.
Hoehnisches Gelaechter antwortet mir.
"Ich wette einen Zwanziger, dass wir heute nicht mehr on-line
gehen", faucht Jerry hetzerisch.
"Wie soll denn was vorangehen, wenn der Kerl sich hier draussen
'rumtreibt!"
Kerl? Mein lieber Freund... Ich nehme mir vor, bei naechster
Gelegenheit den Paket-Scrambler in Jerrys Workstation wieder zu
aktivieren. Ein huebsches kleines Socket-Filter, dass die
Adressen aller abgehenden Pakete durcheinanderbringt. Das hat
schon manchen Surfer in den Wahnsinn getrieben...

Die Kollegen knurren beifaellig. Ich lasse mich nicht aus der
Ruhe bringen. Nach meiner Rechnung muesste der Lappen inzwischen
fast trocken sein und die Mikrowellen nicht mehr abschirmen.
"Top!" sage ich und halte Jerry eine Zwanzig-Dollar-Note unter
die Nase. Nach amerikanischen Maenner-Ehren-Kodex kann er jetzt
keinen Rueckzieher mehr machen. Muerrisch holt er auch einen
Zwanziger heraus und deponiert ihn bei Ginger, die gerade
vorbeikommt.
"Das letzte Mal hat es drei Tage gedauert", versucht Ron ihn zu
troesten.

In dem Moment stuerzt ein Student aus dem PC Labor.
"Das Netz ist wieder da!" kreischt er mit verzuecktem Blick.
Ringsherum Jubelschreie und kleine Staubwolken, als die Kollegen
zu ihren Workstations sprinten; nur Jerry zieht ein langes
Gesicht, waehrend ich mir die zwei Zwanziger schnappe.

t7t Offline




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28.06.2007 16:27
#11 RE: Bastard Ass(i) goes Overseas Antworten

Ich installiere gerade meine neueste Errungenschaft, eine echte
mexikanische Haengematte, in meinem Buero, als Prof. Icewater an
meiner Tuer vorbeikommt und voll die Bremsen anzieht. Ihre
eisgrauen Augen streichen missbilligend ueber das
farbenpraechtige Muster der Haengematte und sie fragt mich mit
vor Kaelte klirrender Stimme, ob irgendetwas nicht in Ordnung
sei. Ich mustere sorgfaeltig mein Buero, und versichere, dass im
Gegenteil alles in bester Ordnung sei.
"Und was ist das hier?" haucht Prof. Icewater. Bilde ich mir das
nur ein, oder beschlagen sich ploetzlich meine Fensterscheiben?
Muss mir unbedingt mal eines von diesen
Infrarot-Fern-Thermometern bei den Physikern ausleihen...
"Das?" sage ich ueberrascht und betrachte erstaunt die Matte, die
sich quer durch den Raum erstreckt.
"Das ist eine Haengematte, HAENGE-MATTE, Haenge wie Henker, Matte
wie Mathematik. Haengematten bilden ein uraltes Kulturgut der
seefahrenden Voelker, insbesondere des Mittelmeerraums..."
"Lassen Sie den Quatsch!" faucht Icewater. Offensichtlich ist sie
heute nicht in der allerbesten Stimmung.
"Was hat das Ding hier zu suchen? Sie sind hier nicht zum
Schlafen angestellt..."

Ich schalte um auf serioes-wissenschaftlich.
"Natuerlich nicht", versichere ich ernst.
"Es handelt sich um ein NSF-finanziertes Experiment. Ich habe
mich freiwillig als Versuchsperson der NASA angeboten, und die
haben mir postwendend diese Test-Haengematte geschickt. Es geht
darum zu klaeren, ob man mit beeintraechtigtem
Gleichgewichtssinn in der bemannten Raumfahrt genauso schnell
und zuverlaessig tippen kann, wie auf festen Boden. Eine
spezielle Software registriert automatisch, wie oft und welche
Tasten ich korrigiere, wenn ich in der Haengematte liege..."

Im allgemeinen sollte das genuegen. Worte wie 'NASA' und 'NSF'
(National Science Foundation) lassen gewoehnlich jeden
normal-sterblichen Wissenschaftler in Ehrfurcht erstarren. Aber
Icewater ist ein ganz besonderer Fall - und ich weiss das! Bevor
sie auf die Idee kommen kann, irgendwelche schriftlichen
Unterlagen, Vertraege, etc. einsehen zu wollen, sage ich rasch:
"Am besten ich zeige Ihnen rasch die NASA-Web-Seite, wo das
Projekt beschrieben wird."
Icewater ueberfliegt mit zusammengekniffenen Lippen rasch die
geschmackvoll gestylte Seite mit dem NASA-Emblem auf meinem
Display.
"Na schoen", gibt sie schliesslich zoegernd ihr Einverstaendnis,
"aber ich moechte nicht hoeren, dass Ihr Arbeitseinsatz darunter
leidet..."
Ich versichere ihr, dass das sicher nicht der Fall sein wird.

Von mir erfaehrt sie so etwas sowieso nicht; und falls irgendein
Mitarbeiter es wagen sollte sich zu beschweren, dann hat er die

erste Voraussetzung fuer seine allzu kurze Hochschulkarriere
nicht kapiert: 'Never mess around with the system guys!'

Es ist uebrigens erstaunlich, welche Glaubwuerdigkeit Web-Seiten
selbst bei misstrauischen Professoren geniessen - auch wenn sie
von der Platte anstatt aus dem Netz geladen wurden!

Ich installiere einen zweiten Monitor unter der Decke und lege
mich zur Probe in die Haengematte. Als erste Fingeruebung
blockiere ich bei allen Workstations (ausser meiner eigenen) alle
eingehenden Netzpakete groesser als 1 KB. Das hat den komischen
Effekt, dass die Web-Browser einen Server zwar kontaktieren und
die Adresse der gewuenschten Page uebermitteln koennen, die Page
aber leer zurueckkommt. Die lapidare Fehlermeldung des Browsers
ist dann 'Document contains no data', und das kann einen echten
Web-Surfer reif machen fuer die naechste Therapie.

Nach dieser Aufwaermphase bemerke ich, dass ich von der
Haengematte aus nicht an meine Kuehlbox herankomme und behebe
diesen Mangel sofort.

Um die Zeit bis zum Lunch zu ueberbruecken, lese ich die neuesten
Online Hochschulmeldungen: Ein Frischling, und zwar ein gewisser
Howard Stale aus L. A., hat einen Professor der UCB auf 5 Mios
verklagt, weil er sich durch die schlechte Note in der
Abschlusspruefung 'stigmatisiert fuehle'. Bei solchen Prozessen
hat der arme Professor normalerweise keine Chance, weil die Jurys
in Berkeley in Analogie zur demoskopischen Verteilung zu 60 % aus
Studenten bestehen.

Ich poke ein wenig im Online Verzeichnis der Uni herum - und
finde tatsaechlich die email Adresse des guten Howard! Der
'Stigmatiker' muss einen miesen Anwalt haben, sonst haette er
laengst seine Daten loeschen lassen.

Im Verwaltungsrechner der Uni finde ich in der letzten Abrechnung
von Howards Gym-Gebuehren seine Kreditkarten-Nummer. Ich gehe auf
die Web-Seite eines hiesigen Hardware-Stores und bestelle unter
seinem Namen fuenf solide Kettensaegen verschiedener Hersteller.
Als Lieferadressen gebe ich das Buero des Professors und seines
Anwalts an. Eine solche freundliche kleine Drohung bringt jeden
noch so langweiligen Prozess in Schwung!

Nach kurzem ueberlegen bestelle ich noch acht laufende Meter
4-Zoll-Balken, einen Zweipfundhammer und vier lange
Zimmermannsnaegel, lasse das Zeug diesmal an den Studenten
liefern und schicke eine Kopie der Rechnung an den Anwalt des
Professors. Wenn schon stigmatisiert, dann richtig!

Ginger kommt mit der Post an meinem Buero vorbei (wobei die Post
mehr von ihren huebschen Beinen verdeckt, als ihr neuester
Minirock) und sieht mich entspannt in der Haengematte liegen. Sie
fragt mit besorgter Stimme, ob es mir etwa nicht gut gehe. Ich
frage mit letzter Kraft, ob sie sich auf Mund-zu-Mund-Beatmung
verstehe, aber sie grinst mich nur spoettisch an und stoeckelt
hueftenschwingend den Gang hinunter. Wie kann man bei dieser
ausgebufften kleinen Hexe bloss weiterkommen?

t7t Offline




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28.06.2007 16:28
#12 RE: Bastard Ass(i) goes Overseas Antworten

Ich bin gerade mitten in einer schwierigen Versuchsreihe und
versuche, die optimale Hoehe meiner Haengematte durch das
empirische HIAT-Verfahren ('hang in and try') herauszubekommen,
als ich ploetzlich durch ein merkwuerdiges, unbekanntes Geraeusch
abgelenkt werde. Zuerst untersuche ich meinen 4 x 120 Watt
Verstaerker, ob da vielleicht eine Stoerung vorliegt; dann merke
ich, dass das Telefon klingelt.

Ich lasse es eine Weile vor sich hin duedeln, damit die
eingerosteten Piezos wieder in Schwung kommen; schliesslich hebe
ich ab.

"Hallo", sage ich.
"Hi. Ist das die Computer-Unterstuetzung?"
Die unbekannte Stimme klingt sexy; also bleibe ich dran.
"Am Apparat. Gibt es ein Problem?"
"Aehm... ja, ich komme mit der Installation von WinWord auf
meinem PC nicht weiter..."
Grosser Core-Dump! Ich unterdruecke meinen ersten Reflex, sofort
wieder aufzulegen. Die Stimme klingt ja, wie gesagt, sexy.
"Ja?" sage ich.
"Ja... hmm... also, irgendwie weiss ich nicht, was ich jetzt
machen soll... Da steht auf dem Bildschirm: 'press any key to
continue'..."
"Und?" frage ich. Die Sache beginnt mich zu interessieren.
"Ja... aeh...", lispelt sie hilflos,
"ich kann auf meinem Keyboard die ANY-Taste nicht finden..."

VOLLTREFFER -- UND HIER SIND WIR WIEDER:
IM TIEFEN TAL DER SUPERDEPPEN!

BULLSHIT MODE ON!

"Tja, hmm", sage ich und versuche, meine zuckenden Mundwinkel in
den Griff zu bekommen.
"Das ist allerdings merkwuerdig. Gewoehnlich ist die ANY-Taste
links oberhalb vom Nummern-Pad. Vielleicht hat man Ihnen aus
Versehen ein europaeisches Modell geliefert? Aber das ist
ueberhaupt kein Problem. Gluecklicherweise koennen Sie ja immer
noch durch die richtige Tastenkombination alle moeglichen
ASCII-Codes auf Ihrem Keyboard erzeugen, nicht wahr?"
Kurzes Schweigen. Dann:
"Aeh... was?"
"Passen Sie auf", sage ich ganz der liebe Onkel von der
freundlichen Hotline.
"Jedesmal, wenn Sie die ANY-Taste brauchen, druecken Sie einfach
die folgenden drei Tasten gleichzeitig: die Taste, wo 'ALT'
draufsteht, die Taste, wo 'CTRL' draufsteht, und die Taste ueber
der RETURN-Taste. Das ist naemlich die ANY-Kombination. Sie
wissen doch hoffentlich, welches die RETURN-Taste ist?"
Sie beeilt sich, mir zu versichern, dass sie die RETURN-Taste
sehr gut kenne. Schliesslich will man nicht ganz bloed dastehen.
"Na schoen", sage ich.
"Durch diese Tastenkombination wird der ASCII-Code der ANY-Taste
simuliert, verstehen Sie? Ganz einfach immer diese drei Tasten
druecken."
"Ach? So einfach ist das?" wundert sie sich.
Sie wird sich gleich noch mehr wundern. Auf alle Faelle notiere
ich ihre Caller-ID, damit ich beim naechsten Mal nicht mehr
abhebe.

Nach dem Lunch liege ich in meiner Haengematte und verdaue. Das
Telefon ruehrt sich nicht mehr. Eigentlich koennte ich ein
bisschen Abwechslung durchaus gebrauchen. Aber seit ein
Mitarbeiter einen schweren Stromschlag abgekriegt hat, nachdem er
sich durch mich hat beraten lassen, traut sich niemand mehr,
meine Dienste in Anspruch zu nehmen. Ich fummele ein bisschen in
der ISDN-Anlage der Uni herum und lenke alle Anrufe der Hotline
im PC-Labor auf meinen Anschluss um. Mein Telefon beginnt sofort
zu duedeln.

"PC-Hotline. Wie kann ich Ihnen helfen?" melde ich mich.
"Ja, hallo! Hier ist... aeh, egal. Ich wollte eigentlich nur
fragen, ob ich auf meinem neuen PC noch Garantie habe. Weil...
naemlich, der Kaffeetassenhalter ist abgebrochen..."
Das ist sogar fuer mich etwas Neues! Donnerwetter! Echt
fortschrittlich hier an der Westkueste - PCs mit eingebautem
Kaffeetassenhalter...
"Hab ich das richtig verstanden", sage ich,
"der Kaffeetassenhalter an Ihrem neuen PC ist abgebrochen?"
"Genau!"
"Aeh, wo ist der denn angebracht? Hat er das gleiche
Markenzeichen wie der PC selber?"
Er raschelt etwas im Hintergrund herum, dann nuschelt er:
"Vorne am Gehaeuse. Nee, der hat kein Markenzeichen 'drauf..."

"Ist er am Gehaeuse angeklebt? So etwa wie die Tassenhalter im
Auto?"
"Nee, der war versenkbar. Aber jetzt is' er abgebrochen. '4x'
steht vorne 'drauf. Ist das 'ne Marke?"
Ich kapiere endlich, dass der Kerl seinen CDROM-Schlitten als
Tassenhalter missbraucht hat und gehe kurz in den Zustand ROTFL.
Als ich wieder zu Atem komme, empfehle ich dem Burschen in
Zukunft seinen Kaffee lieber oben auf dem Schirm abzustellen.
"Da bleibt er naemlich laenger warm, von wegen der heissen Abluft
von der Bildroehre, verstehen Sie?"
Er bedankt sich herzlich fuer den heissen Tip. Hoffentlich kippt
er bald mal den Kaffee in die Innereien seines Displays. Manchen
Leuten sollte man wirklich keinen Rechner in die Finger geben!
Warum gibt es eigentlich keine Rechner-Fuehrer-Scheine?

Kaum ist der Hoerer auf der Gabel, duedelt es schon wieder.
Diesmal ist es eine Frau. Zumindest klingt es so. In San
Francisco kann man da nie so ganz sicher sein...
"Aeh, ich weiss nicht, ob ich da richtig bin. Sie sind doch die
PC-Beratung, oder?"
Ich bestaetige, dass dem so sein, und frage freundlich nach ihrem
Problem. Hier an der Westkueste ist ein Computerproblem eine sehr
persoenliche, ja fast schon peinliche Sache. Manche bringen ihren
PC sogar mit zum Therapeuten.
"Hmm, ja also: meine Maus funktioniert einfach nicht so mehr
richtig. Auch wenn ich sie nur auf dem Maus-Pad benutze. Kann
man da was machen?"
Ich ueberlege nicht lange:
"Verwenden Sie denn den mitgelieferten Staubschutz?"
"Aeh... nein?"
"Sagen Sie bloss, Ihre Maus kam ohne Staubschutz. So eine
durchsichtige Plastikhuelle, nein?"
"Aehm... ja, doch. Aber..."
"WAS - ABER!"
"Ich dachte, das sei nur die Verpackung...", fluestert sie
eingeschuechtert.
"Die Verpackung!" stoehne ich.
"Jetzt machen Sie sich mal aber auf die Socken und finden Sie
schleunigst den Staubschutz fuer Ihre Maus! Ist ja kein Wunder,
wenn die arme Maus nicht mehr funktioniert!"
Sie verspricht hastig, dass sie sich sofort darum kuemmern werde
und legt auf. Schade, dass ich nicht sehen kann, wie sie
versucht, mit einer verpackten Maus zurechtzukommen...

Der naechste Anrufer haelt sich nicht lange mit unnoetigen
Vorreden auf:
"Mein PC faxt nicht!"
"Aha", sage ich, vorsichtig geworden,
"Sie haben nicht zufaellig das Dokument zusammengefaltet und in
den Schlitten des CDROMs gefuettert?"
"Was? Wie? Ich habe doch gar kein CDROM. Ich sagte, mein PC faxt
einfach nicht. Ich verwende die mit dem Modem gelieferte
Fax-Software..."
Ich bitte den erregten Anrufer kurz zu beschreiben, was er im
Einzelnen macht.
"Ich erstelle ganz normal ein Dokument. Dann gehe ich in die
Fax-Software, waehle 'Senden' aus und gebe die Faxnummer ein.
Dann hoert man ihn waehlen und ein hohes Pfeifen, aber beim
Empfaenger kommt immer nur ein leeres Blatt an..."
"Hmm, klingt ganz normal. Haben Sie es denn schon mit
verschiedenen Faxnummern versucht?"
Er bestaetigt entruestet, dass er es jetzt schon fuenfmal mit
drei verschiedenen Nummern versucht habe.
"Und ausserdem wird das auch allmaehlich ganz schoen
anstrengend", fuegt er mit beleidigter Stimme hinzu.
"Anstrengend?" frage ich ueberrascht.
"Naja, immer so lange das Dokument gegen den Schirm halten, meine
ich. Man will ja nicht, dass es verwackelt, oder?"

Das ist zuviel! Ich lege auf - und gehe nach Hause!

t7t Offline




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28.06.2007 16:28
#13 RE: Bastard Ass(i) goes Overseas Antworten

Das entsetzlich duenne Gebraeu, das sich die Mitarbeiter hier
literweise intravenoes 'reinziehen, und was trotz aller
Scheusslichkeit immer noch als 'Coffee' bezeichnet wird, geht mir
so gegen den Strich, dass ich mich kategorisch weigere, meinen
Luxuskoerper damit zu verseuchen.

Eine Woche lang traeufele ich jeden morgen Tippex-Verduenner in
den Kaffee. Als aber keiner der geschmacksamputierten Kollegen
darauf reagiert, beschliesse ich ganz gegen meine sonstige
Veranlagung altruistisch aktiv zu werden. Ich ziehe also los und
kaufe die teuerste Espresso- und Kaffeemaschine (Marke
'Executive's Delight'), 20 Pfund besten italienischen Kaffee und
eine Mini-Video-Kamera. Die Rechnung lasse ich ans Buero des
Deans faxen; und schon nach wenigen Stunden kann ich mich
entspannt mit einer Tasse frischen Cappuccinos in die Haengematte
legen.

In absoluter Rekordzeit von nur 2 Stunden, 36 Minuten und 12
Sekunden ruft das Sekretariat des Deans bei mir an und beschwert
sich ueber die Rechnung. Sie sagen, dass ich... und ueberhaupt...
keinerlei Befugnis... mit Konsequenzen sei zu rechnen... und
ueberhaupt... unglaublich... skandaloes... und ueberhaupt... noch
nie dagewesen... und koennte ja jeder kommen... und ueberhaupt...
Ich warte, bis ihnen die Luft ausgeht; dann verlange ich ganz
cool den Dean selber zu sprechen. Nach kurzem Zoegern - immerhin
habe ich keinen Gespraechstermin - stellen sie mich durch. Die
Durchstellung dauert fast eine Minute; also haben sie den Dean im
Telegrammstil ueber die Situation aufgeklaert, und ich muss mich
nicht mit langen Erklaerungen aufhalten.
"Haben sie einen Web-Browser auf Ihrer Maschine?" frage ich,
bevor der Dean ueberhaupt Luft holen kann.
"Aeh... ja?"
"Geben Sie bitte folgende Adresse ein..."
Ich diktiere ihm eine URL an der Stanford University, der
Erz-Rivalin von Berkeley am anderen Ende der Bay.
"Was Sie da sehen", sage ich ernst,
"ist ein Online-Bild der weltberuehmten Kaffee-Maschine im CS Lab
der Stanford University. Ueber diese Web-Page koennen die
Mitarbeiter des Labs jederzeit sehen, wie hoch der momentane
Kaffeespiegel in der Kaffeemaschine ist."
"Ja, aber..."
"Dieses Bild ging um die Welt", lasse ich ihn nicht zu Wort
kommen,
"als revolutionaeres und zugleich glorreich sinnloses Beispiel

von vernetzter Multimedia-Technologie. Und damit verbunden war
immer der Name STANFORD!"
"Ich weiss", sagt der Dean,
"aber..."
"UND WAS IST MIT BERKELEY?" fahre ich unerbittlich fort.
"WAS HABEN WIR DEM ENTGEGENZUSETZEN? NICHTS!!!"

Der Dean schweigt betroffen.

Das komplizierte Wettbewerbssystem der amerikanischen
Spitzen-Universitaeten ist eine ernste Sache. Ein gutes Image
kann sich in klingende Muenze verwandeln: wenn eine Universitaet
als renommiert gilt, kann sie ihre Semestergebuehren
hinaufschrauben (Berkeley derzeit $15.000 pro Jahr (fuer
Nicht-Kalifornier, Kalifornier zahlen nur etwa $6000), Stanford
je nach Studienzweig zwischen $12.000 bis $25.000 pro Jahr, an
der Ostkueste gibt es Medical Schools, die bis zu 25.000 Dollar
verlangen).

Bevor sich der Dean erholen kann, gebe ich ihm die URL eines
unserer uralten Macs durch, den ich zu diesem Zweck extra wieder
ans Netz gehaengt habe.
"Auf diesem Bild", erlaeutere ich mit verhaltenem Pathos in der
Stimme,
"koennen Sie nicht nur den Kaffeestand ablesen, sondern zudem
noch den momentanen Dampfdruck der Espresso-Maschine ermitteln,
per HTML-Formular die Temperatur der Heizplatte regeln, und
bekommen zudem noch eine Sound-Uebertragung der letzten fuenf
Milch-Schaeum-Vorgaenge geliefert..."

In der Tat hoere ich im Hintergrund das infernalische Gestoehne
der neuen Espresso-Maschine; der Dean weiss also zumindest, wie
man auf einem HTML-Dokument einen Button drueckt. Deshalb ist er
wahrscheinlich auch Dean, und nicht nur Professor!

"Und wissen Sie, wo dieses ergreifende Beispiel bis zur absoluten
Sinnlosigkeit vorangetriebener High-Tech installiert ist?
IN UNSEREM DEPARTMENT!!!"

Was uebrigens nicht zu uebersehen ist, weil ich die ganzen Pages
mit dem Logo des Computer Science Departments von Berkeley
gepflastert habe!

Zehn Sekunden ist Schweigen in der Leitung. Der Dean muss sich
blitzschnell eine gute Ausrede einfallen lassen, wie er die
unvorhergesehene Ausgabe vor dem financial department
rechtfertigen kann. Aber sowas findet sich immer...
Schliesslich sagt er:
"Nun, gut. Aber..."
"Nein", unterbreche ich,
"gar nicht gut!"
"Aeh... was?"
"Koennen Sie sich vorstellen, wieviele Zugriffe auf diese Page
stattfinden werden, wenn sich die Sache erstmal herumgesprochen
hat? Zigtausende! Wie soll das unsere Domaene verkraften, wenn
sie nur an einer laecherlichen 10 MBit-Leitung haengt? Und was
fuer ein Eindruck wird das sein, wenn man 10 Minuten warten
muss, bis sich die Page aufbaut?"
"Aber..."
"Berkeley kann sich keine vernuenftige Netztechnologie leisten,
wird es heissen. Brillante Ideen, aber nichts dahinter! Big hat,
no cattle! Der einzige vernuenftige Ausweg ist eine solide
FDDI-Verbindung vom Backbone zu unserer Domaine. Die war sowieso
frueher oder spaeter faellig. Kostenpunkt laecherliche 7.000
Dollar."

Der Dean schnappt nach Luft. Sein Blutdruck steigt bekannterweise
proportional zu den genannten Summen.
"Unmoeglich!" japst er.
"Schalten Sie das Ding sofort ab!"
"Zu spaet!" kontere ich.
"Einige unserer Studenten haben die URL bereits im USENET
gepostet. Wenn wir es jetzt wieder herausnehmen, ist die Blamage
fuer Berkeley zu gross; das koennen Sie nicht verantworten,
oder?"

Genaugenommen wissen die betreffenden Studenten gar nichts davon,
dass sie etwas im USENET gepostet haben. Das ist der Vorteil,
wenn man Zugang zu allen Mailboxen hat!

Der Dean windet sich wie ein elektrischer Aal, der aus Versehen
in die Kanalisation eines Kernkraftwerks geraten ist. Aber
schliesslich gibt er mir eine muendliche Zusage, dass er sich bei
der naechsten Haushaltssitzung fuer einen Netzausbau einsetzen
wird. Von der Kaffeemaschine ist auf einmal nicht mehr die Rede!

Nachdem ich aufgelegt habe, liege ich in der Haengematte,
schluerfe meinen Cappuccino und sinniere darueber nach, ob ich
mich nicht doch einmal als Bundesfinanzminister bewerben
sollte...

t7t Offline




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28.06.2007 16:29
#14 RE: Bastard Ass(i) goes Overseas Antworten

'PR', wie jeder weiss, steht fuer 'public relations' und ist
neben der Gesellschaftsdefinition-Nummer-Eins die wichtigste
Sache im Land der unbegrenzten Moeglichkeiten.
(Gesellschaftsdefinition-Nummer-Eins in den USA
- fuer alle, die es noch nicht wissen sollten -
ist der einfache Satz: 'More Money!')

Alles, naja, fast alles wird der PR untergeordnet: Das Wetter,
die ganze Politik und das Balzverhalten amerikanischer Maenner.
Im engeren Sinne gibt es ausser der normalen Werbung auch noch so
Dinge wie Anti-Werbung (in Deutschland verboten, also zerbrecht
euch nicht den Kopf darueber), Imagepflege, Infomercials,
Meta-Werbung und Meta-Meta-Werbung.

Anti-Werbung ist, wenn ein Mercedes E 500 unter der Last einer
fuenfkoepfigen Familie mit zwei Hunden zusammenbricht, weil alle
Familienmitglieder krankhaft uebergewichtig sind und der 500er in
der hoechsten Ausstattung soviel Schnickschnack (amerikanisch:
'snigsnags') an Bord hat, dass nur noch 200 kg Zuladung moeglich
sind. Andererseits dann der kleinste Mazda mit der gleichen
Ladung mirakuloeserweise einen Kavaliersstart hinlegen kann.

Ein Infomercial ist eine verkappte Werbung, die subversiv so tut,
als waere sie keine - also so ziemlich dasselbe wie bei uns die
Stiftung Warentest. Das ist in USA nicht besonders schwierig,
weil gleichzeitig die Nachrichtensendungen sich alle Muehe geben,
wie Werbung auszusehen. Man trifft sich also irgendwo im selben
Info-Sumpf! Ein prima Beispiel fuer ein Infomercial ist der
folgende Text auf einer Milchtuete
(Kommentare von mir in Klammern):

"What Makes a Dairy Cow Contented? To a dairy cow, contentment
means feeling comfortable, being healthy, and eating well... and
Berkeley Farms Holstein cows (!) are among the most contented
cows around!"
(Als gute Bayern wissen wir, dass das gelogen sein muss: nur

bayrische Kuehe sind bekanntlich glueckliche Kuehe! Ausgenommen
vielleicht noch die Milka-Kuh!)

"They live on the finest farms in Northern California, from the
rolling Hills of Marin and Sonoma Counties to the lush San
Joaqim Valley!"
(Marin liegt direkt am Pazifik und dort ist es normalerweise so
windig, dass es eine Kuh von den Hufen hebt. Das San Joaqim
Valley ist im Sommer eine einzige Wueste mit Temperaturen ueber
40 Grad!)

"Calves lucky enough to be born on the Berkeley Farms dairy farm
are watched over by a special attendant for several weeks to
make sure they get the best possible start in life."
(Der Zuechter entscheidet innerhalb der ersten 4 Wochen, ob das
Vieh zur Milchkuh taugt oder gleich in Hamburger
weiterverarbeitet wird.)

"After that time, Berkeley Farms cows have their own
nutritionist, who make sure they continue to enjoy the best of
health!"
(Zu deutsch: sie bekommen taeglich eine milchfoerdernde
Hormonspritze verpasst!)

"Because Berkeley Farms' healthy, contented cows produce the best
milk, Berkeley Farms delivers the freshest and best-tasting
dairy products available anywhere!"
(Man beachte die absolut unaufdringliche Erwaehnung des
Markennamens!)

Meta-Werbung ist, wenn die normale Werbung schon so abgedroschen
ist, dass nur noch massive Eigenverarschung die Aufmerksamkeit
des Beworbenen erregen kann. Beispiel: ein Fatty stopft so lange
Fruehstuecksflocken in sich hinein, bis er platzt und die
Umgebung im Umkreis von 300 Metern mit Milch, Flocken, Schleim
und blutigen Fleischfetzen bepflastert.

Meta-Meta-Werbung geht noch einen Schritt weiter (oder zurueck)
und ist gedacht fuer die Leute, denen die vorangegangene
Meta-Werbung so an die Nieren gegangen ist, dass sie jede normale
Werbung ohne Blut und Gemetzel als Labsal fuer die Seele
betrachten. Meta-Meta-Werbung ist also genaugenommen nichts
anderes als altmodische Werbung a la Klementine - nur geschieht
es in innerhalb eines ganz anderen Paradigmas.
(Bitte keine emails mehr: Was ist ein 'Paradigma'!).
Meta-Meta-Werbung ist zur Zeit bei den Werbeagenturen ganz
besonders beliebt, weil man die alten Schinken der 60iger und
70iger Jahre aus den Archiven holen und neu vergolden kann...

Jedenfalls, weil PR hier so wichtig ist, kann auch der BAfH es
nicht einfach so tolerieren, wenn hinter seinem Ruecken ueber die
Qualitaet der Systemverwaltung gestaenkert wird!

Die betreffende Kollegin, Marcia, ist eine von der ganz
vorsichtigen Sorte und hat fuer ihre Beschwerdemail an Prof.
Icewater ein anonymes Mail-Relay in Finnland verwendet.
Dummerweise hat sie nicht bedacht, dass auch jede ausgehende Mail
zuerst mal im System ge-queued wird und somit meinen speziellen
Mail-Filter zugaenglich wird, das alle Mails, die meinen Namen
enthalten, automatisch an mich abzweigt. Unter anderem beschwert
sie sich bei der Chefin darueber, dass mein Telefonanschluss
entweder staendig belegt sei oder ich nicht 'rangehen und
gleichzeitig nicht auf email reagieren wuerde. Ausserdem, so
Marcia weiter, hielte ich mich nicht an die
'first-come-first-serve'-Methode, sondern wuerde gewisse
namentlich nicht genannte Kolleginnen (sic!) ausser der Reihe
bevorzugen!

Da hier in Berkeley offiziell immer noch die Meinung vertreten
wird, dass email eine sichere Kommunikationsform (Lach!) sei, bei
der die Privatsphaere uneingeschraenkt geschuetzt werde
(Lach-Wieher!), kann ich mit der abgefangenen Mail nicht direkt
gegen Marcia vorgehen. Aber ich werde dafuer sorgen, dass sie
meine Dienste in Zukunft besser zu schaetzen weiss...

Um die Lunchzeit albere ich mit Ginger im Flur herum und warte,
bis Marcia ihr Buero verlaesst. Kaum ist sie weg, gehe ich an
ihre Workstation und fahre mit dem Root-Passwort ihre
X-Oberflaeche hoch. Ich mache rasch einen screen shot von der
gesamten Oberflaeche und speichere ihn als ihr Hintergrundbild
ab. Dann loesche ich alle Applikationen, die sonst beim
Hochfahren gestartet werden und ersetze in allen Popup-Menus die
Programm-Aufrufe durch Beeps.
(Koennt ihr mir noch folgen? Nein? Kann man nix machen...)

Keine halbe Stunde spaeter ruft sie an.
"Hallo", sage ich.
"Aehm... hi! Hier ist Marcia. Ich habe ein Problem mit..."
"Schicken Sie mir eine Email", unterbreche ich sie.
"Aber..."
"Ich habe strikte Anweisung bekommen, Anfragen nur noch in der
Reihenfolge des Email-Eingangs zu bearbeiten", sage ich, lege
auf und beginne zu zaehlen. Bei 5 klingelt es wieder.
"Hallo", sage ich.
"Aehm... ich kann keine email schicken, weil ich nicht in meine
Maschine komme..."
"Koennen Sie sich nicht mehr einloggen?" frage ich scheinheilig.
"Doch, aber..."
"Dann gehen Sie an eine andere Maschine, loggen sich ein und
schicken mir von dort eine ausfuehrliches Trouble-Ticket", sage
ich und lege auf.
Sie braucht nur 3 Minuten, um herauszufinden, dass auch das nicht
geht. Das Telefon klingelt.
"Hallo", sage ich.
"Ich..."
Ich simuliere den gestressten, ueberarbeiteten System-Engel:
"Sie schon wieder! Ich habe gerade erst von der Chefin einen
Anschiss bekommen, weil ich dauernd an der Strippe haenge,
anstatt meine Trouble-Tickets zu bearbeiten. Ich habe keine
Lust, mir noch einen einzuhandeln!"

Das stimmt zwar nicht, weil ich Marcias Mail an Icewater
selbstredend nach /dev/null kopiert habe, aber das kann sie ja
nicht wissen.

Ein paar Sekunden ist es still in der Leitung. Dann erklaert sie
hastig, dass auch auf allen anderen Maschinen es nur piepst, wenn
sie etwas auf ihrer Oberflaeche anklicken will.
"Na schoen", sage ich seufzend,
"ausnahmsweise. Aber dass mir ja niemand davon erfaehrt, dass ich
Sie vorgezogen habe..."
Sie versichert mir hastig, dass sie absolut verschwiegen sei. Die
Reue trieft aus allen Vokalen.

Ich gehe in ihren Account und verwische rasch alle meine Spuren.
Das kann man normalerweise ganz einfach und elegant mit dem
Kommando 'rm -rf $HOME' erledigen (Das war ein TIP, Leute!
Schreibt ihn euch auf!). Diesmal allerdings verzichte ich aus
gewissen Gruenden darauf und loesche tatsaechlich nur, was noetig
ist.

Dann sage ich:
"Hmm, tja. Sieht ganz so aus, als der Lunchy-Punchy-Virus wieder
zugeschlagen haette..."
"Lunchy-Punchy?"
"Ja, Sie wissen schon... der neue Retro-Virus aus Transilvanien,
der immer dann zuschlaegt, wenn zwischen 12 und 1 Uhr die
Aktivitaet auf der Workstation nachlaesst..."
"Ach ja?" sagt sie tapfer,
"davon habe ich auch schon gehoert..."

Logisch! Wenn man zu ihnen sagt 'Sie wissen schon...' koennen die
Leute gar nicht mehr anders, als 'schon davon gehoert zu haben'!

"So, alles erledigt", sage ich.
"Der Virus ist neutralisiert, und Sie sollten wieder normal
arbeiten koennen."
"Ah! Danke!" sagt sie erleichtert und will schon auflegen. Aber
so leicht lasse ich sie nicht vom Haken!
"Wissen Sie eigentlich, dass naechste Woche an der Uni die
'SysAdmin Awareness Week' stattfindet? Nach dem, was heute
passiert ist, koennten Sie doch so freundlich sein, und bei der
Festveranstaltung ein paar nette Worte ueber den hervorragenden
Service hier sagen...?"

Marcia schluckt hoerbar. Man hoert die Schweisstropfen auf die
Sprechmuschel plaetschern. Schliesslich wuergt sie:
"Aber... aeh... ja, natuerlich... GERNE!"

Ich bin so ein Sadist!

t7t Offline




Beiträge: 302

28.06.2007 16:30
#15 RE: Bastard Ass(i) goes Overseas Antworten

Einer der ganz grossen Vorteile, in den USA ein 'system guy' zu
sein, ist die Tatsache, dass man zwar an der Uni arbeitet, aber
niemand ernsthaft erwartet, dass man irgendwelche
wissenschaftlichen Veroeffentlichungen macht. Auf diese Weise hat
man die Moeglichkeit, Studenten zu triezen, ohne wirklich
wissenschaftlich arbeiten zu muessen. Andererseits kann man sich
trotzdem als 'scientist' bezeichnen - zum Beispiel, wenn man
einen neuen Kredit braucht oder ein Maedchen beeindrucken will!

Waehrend also die Kollegen nach der Devise 'Publish or Perish'
wie die gebissenen Affen Paper schreiben, weil sie genau wissen,
dass ihr Arbeitsvertrag nur verlaengert wird, wenn sie pro Jahr
mindestens 5 Veroeffentlichungen nachweisen koennen, kann ich in
aller Ruhe durch die Email der Studentinnen browsen. Ab und zu
habe ich das Glueck, dass mir einer sein Paper zum 'review' gibt.
Warum das ein Glueck ist? Weil es mir die Chance gibt, ungestraft
die Arbeit eines anderen in den Dreck zu zerren!

Natuerlich mache ich mir nicht die Muehe, das Paper tatsaechlich
zu verstehen! Das koennte ja in geistige Arbeit ausarten - und
ich brauche alle meine mentalen Kapazitaeten, um die User im
System in Schach zu halten! Nein, ich fetze nur so durch die
Spalten und suche nach einfachen Woertern, die ich durch andere,
schwerer verstaendliche Ausdruecke ersetze. Z. B. ersetze ich
'bedenken' durch 'ernsthaft in die innere Wahl von potentiellen
Erwaegungen ziehen' oder 'daraus folgt' durch 'unter
Beruecksichtigung aller hypothetischen Praemissen koennte daraus
evident werden' oder 'Untersuchung' durch 'breit angelegte,
empirisch gestuetzte Analyse' usw. Sollte der Text danach immer
noch zu leserlich sein, verteile ich per Zufall kryptische rote
Krakel an der Rand und unterstreiche beliebige Textstellen. Wenn
dann spaeter der verzweifelte Autor zu mir zurueckkommt, weil er
die Kritzel nicht interpretieren kann, gebe ich zu, dass auch ich
mich nicht mehr erinnern kann. Dann runzele ich sorgenvoll die
Stirn und sage:
"Aber irgendwie... ich weiss nicht... war das eine ziemlich
wichtige Bemerkung. Wenn ich mich bloss erinnern koennte..."
Nach drei, vier solchen 'Hinweisen' ist der Kollege reif fuer die
Klapsmuehle und nahe daran, das Paper komplett neu zu schreiben.

Wenn das Paper sowieso schon unleserlich bei mir abgeliefert wird
(was ziemlich haeufig vorkommt), beschraenke ich mich darauf, am
Layout herumzudoktern. Zum Beispiel empfehle ich, die Zahl der
Spalten auf fuenf zu erhoehen und den Font der Ueberschriften auf
Groesse 8pt zu reduzieren. Oder ich behaupte, dass die Graphiken
'nicht instruktiv genug' seien und das aesthetische Empfinden des
Leser beleidigten.

Aber am liebsten uebersetze ich Dokumente ins Deutsche. Ab und zu
machen Leute den Fehler, mich um Hilfe zu bitten, wenn sie etwas
nach Deutschland schicken muessen. Teilweise geschieht dies auch
deshalb, weil ich das Geruecht verbreiten liess, dass deutsche
Behoerden alle Anschreiben, die nicht im korrekten Amtsdeutsch
verfasst seien, sofort in den Reisswolf werfen. Am besten sind
Zeugnisse von Studenten, die sich bei einer deutschen Uni
bewerben wollen. Jeder weiss, dass Zeugnisse immer zwischen den
Zeilen gelesen werden. Es ist ueberhaupt kein Problem, all die
bekannten Zeugnis-Killerphrasen unterzubringen, zum Beispiel:
"Sie hat sich bemueht, die ihr uebertragenen Arbeiten zu unserer
Zufriedenheit zu erledigen..." (bekommt ueberhaupt nichts auf
die Reihe, egal wie oft man es auch erklaert)
"Durch seine Geselligkeit trug er zur Verbesserung des
Betriebsklimas bei..." (notorischer Alkoholiker)
"Fuer die Belange der Belegschaft bewies er ein umfassendes
Einfuehlungsvermoegen..." (Vorsicht: schwul!)

Manchmal habe ich sogar das Glueck, die Orginaldokumente in die
Finger zu bekommen. Dann verlaengere ich vorsichtig die
Unterschrift mit einen Haken nach RECHTS. Das bedeutet:
"Achtung! Der Typ ist Mitglied in einer LINKS gerichteten Partei!
Rufen Sie mich auf jeden Fall an!"
(Kein Scheiss! Wer's nicht glaubt, kann nachsehen. Wo, hab ich
vergessen...)

Zusaetzlich fuege ich in die Anrede des Begleitschreibens
irgendwelche fiktiven Titel ein. Statt 'Sehr geehrter Herr
Sowieso' schreibe ich: 'Hochgeehrtester und grossmaechtigster
Auslandsbehoerden-Gross-Mufti-Pascha Dr.-phil. von Sowieso'. Im
allgemeinen finden das die Studenten hier ganz in Ordnung, weil
irgendwann in den zwanziger Jahren jemand in den USA das Geruecht
verbreitet hat, in Deutschland haette jeder einen Titel und wehe,
man vergisst diesen bei der Anrede! (Wobei nicht ganz von der
Hand zu weisen ist, dass an dem Geruecht was dran ist!)

Es klopft und 'Barbie' streckt ihren Blondschopf herein.
Natuerlich heisst sie nicht wirklich Barbie! Und jeder, der es
wagen wuerde, sie so zu nennen, wuerde wegen 'sexual harassments'
oeffentlich gevierteilt! Aber sie ist nun mal der seltene Fall
des Traums vom 'American Girl', mit blauen Bambi-Augen, langem
blonden Haar, etc. etc. pp. (Wenn ich's mir recht ueberlege,
hatte Bambi glaube ich braune Augen; egal ihr wisst, was ich
meine!)

Barbie haucht, ob ich eine Sekunde Zeit fuer sie haette, und
klimpert verheissungsvoll mit den ueberfrachteten Augenlidern.
Natuerlich habe ich IMMER Zeit fuer Barbie! Damit wir uns
ungestoerter unterhalten koennen, kille ich rasch saemtliche
User-Batches auf dem Server und fahre die sirrenden Festplatten
herunter. Dann eroeffnet mir Barbie leicht erroetend, dass sie
einen deutschen Brieffreund (!) habe und sie moechte sooooo gerne
ein paar deutsche Zeilen an ihren Brief anhaengen, aber leider
habe sie nur Spanisch in der Highschool gehabt, und ob ich
vielleicht so freundlich sein koennte, undsoweiter tataatataa...

Es ist wirklich eine Unsitte, dass manche Leute immer noch mit
gebleichter Zellulose kommunizieren! Man denke nur an die ganzen
abgeholzten Urwaelder!! Und ausserdem bekomme ich auf diese Weise
ja gar nichts mit!!!

Mist! Sie zeigt mir sogar ein Foto von dem Gecken - ein
fuerchterlich gut aussehender, braungebrannter Spunt, der sich
gerade an einer Reckstange hochzieht, so dass alle Muskelpakete
herauszuknallen drohen - und es dabei auch noch fertigbringt zu
lachen!

Ich nehme Papier und Bleistift zur Hand, und Barbie liest mir
ihren Entwurf fuer die angefuegten deutschen Zeilen vor - und
wird dabei womoeglich noch roeter. Dabei ist es bloss harmloses
romantisches Gefasel:

Barbie: "I'm looking forward to walk with you hand in hand down a
wonderful beach next summer."
Ich schreibe: "Ich bin schauend nach vorne, dich kraeftig
durchzuwalken mit wundervoller Unterhand am Strand
im naechsten Sommer."

Barbie: "We'll swim in the clear blue water and gaze in the stars
at night."
Ich schreibe: "Willst schwimmen mit einem Klaren bis deiner ganz
blau und nachts wickle ich ihn in Gaze."

Barbie: "We'll roam around like free and happy birds and go back
to our cozy little nest at night."
Ich schreibe: "Wir werden rammeln mehrere Runden, lecken Freud
(am A...) und einige glueckliche Voegeleien, und
der gottverdammte Baecker kotzt ein kleines Nest
vor Neid."

Barbie: "The time will fly, but last in our memories forever."
Ich schreibe: "Die wilden Zeitfliegen buttern unsere Memoiren ein
im Fieber."

Barbie: "So long, my friend!"
Ich schreibe: "So lang ist er, mein Freundchen!"

Mal sehen, ob die Brieffreundschaft anhaelt...

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